Nußbaum massiv und auf Nadelholz furniert, originale Gurtung mit originalem Bourlet der Polsterung, Raumnummern mit schwarzer Farbe auf die Unterseite der Sitzgurtung geschrieben: R 15 ; R 23; R 24 (auf zwei Stühlen dieselbe Raumnummer); eine Nummer durch Reparatur der Möbelgurten nicht mehr lesbar.
Höhe 86,5 cm; Breite 45,5 cm; Tiefe 49,5 cm; Sitztiefe 41 cm.- Preis auf AnfrageDie streng gestalteten Stühle sind Beispiele für das frühe süddeutsche “höfische” Biedermeier. Die Vierkantbeine sind konisch nach unten zugespitzt. Die Vorderbeine verlaufen leicht schräg nach vorne und zur Seite ausgestellt. Die rückwärtigen Beine sind nach hinten geschwungen ausgestellt. Gerade diese sensiblen asymmetrischen Verläufe der Beine verraten einen erfahrenen Entwerfer der Möbel. Zudem sprechen sie für eine Frühdatierung.
Aufstellung der Sitzmöbel an der Wand
Die Stuhlbeine und die Lehnenteile sind in Nußbaum massiv gearbeitet. Die vordere Zarge ist über eine Mittelfuge gespiegelt furniert. Die seitlichen Verbindungen der Stuhlbeine sind stehend ohne Furnierbild gestaltet.
Die rückseitige Zarge ist bei allen Stühlen original in Nußholz massiv gefertigt. Diese unterschiedliche Gestaltung der Zargen zeigt an, daß die Stühle für die Vorderansicht gearbeitet worden sind. Die Sitzmöbel waren für die repräsentative Aufstellung entlang der Raumwände bestimmt. Sie standen nicht frei im Raum.
Entwurf ?
Das gotisierende Gitterwerkfries unterhalb der breiten Zarge der Lehne taucht als Motiv auch an Regensburger Schränken um 1800 auf. Das Regensburger Meisterstück in Form eines Zylinderbüros mit Aufsatz von 1806 (Thurn und Taxis Museum) zeigt ebenfalls dieses gotisierende Motiv. Die Regensburger Zunftordnung definierte das Motiv als “gothische fournierte Kreuzbogenwölbungen auf Säulen ruhend befinden”.
Der wohl früheste Nachweis für die Verwendung des Motives in Regensburg ist die schmiedeeiserne Oberlichte der Lauservilla, die 1795 nach einem Entwurf von Joseph Sorg (1749-1808) ausgeführt worden ist. Sorg war auch der Architekt, der für Graf von Lerchenfeld im Jahre 1800 den alten Domherrenhof Domplatz 6 (E 57) neu- und umgebaut hat. Die erhaltenen doppelten Flügeltüren der Innenausstattung hat Sorg allerdings noch im reinen Louisseizestil entworfen.
Sorg könnte der Entwerfer dieser sehr modernen Stuhlform sein, wenn man einer Frühdatierung der Stühle um 1800 zustimmt. An der Fassade der Residenz tauchen die damals modischen Gittermotive – allerdings hier in anderer Form – unter den Fensteröffnungen – ähnlich plaziert wie unter der breiten Lehnenzarge – an den Schürzen der Fensterbrüstungen auf. Interessanter Weise beließ Sorg im Erdgeschoß der Domplatzfassade das mittelalterliche, gotisch spitze Einfahrtstor. Heute haben die Ladeneinbauten diese Situation zerstört.
Vorbildlich für diese moderne Einfachheit sind englische Vorlageblätter. Daß es formal sehr ähnliche Stühle in Weimar gab, ist wohl kein Zufall, war doch Dalberg mit den Gegebenheiten in Weimar vertraut (Vergleiche Ausstellungskatalog Biedermeier, Die Erfindung der Einfachheit, 2006, Kat. II-2). Damit gewinnt die Möglichkeit, daß die Stühle für Dalbergs Hofhaltung in Regensburg 1803 folgende angefertigt worden sind, an Wahrscheinlichkeit.
Natürlich kommt auch Dalbergs Hofarchitekt Emanuel Joseph von Herigoyen (1746-1817) als Entwerfer der Stühle in Frage. Möbelentwürfe aus dieser Zeit um 1803 sind allerdings nicht erhalten. Seine älteren Möbelentwürfe sind dem Louisseize verpflichtet. Herigoyen verdrängte in Regensburg Sorg als entwerfenden Architekten und teilte ihm die Aufgabe von Bauausführungen zu. Herigoyen wurde in Regensburg als Berater bei der Abnahme der Meisterstücke der Schreiner herangezogen. Die Vorbildlichkeit von französischen Speisezimmerstühlen (siehe unten) spricht für den französisch ausgebildeten Architekten Herigoyen als Entwerfer.
“In seinem Mobiliar befindet sich weder überflüssiges noch ausgesuchtes.”
Domplatz 6 – Residenz des Kurerzkanzlers
Der Ausschnitt aus einem Stahlstich von 1822 zeigt die Nordfassade der Residenz. Damals befand sich das Gebäude im Besitz des bayerischen Königreiches und das Erdgeschoss war vermietet. Zwei spitzbogige (!) Tore führten zu zwei Verkaufsläden. Das Piano nobile liegt im zweiten Obergeschoss.
Den Domherrenhof als modernstes Gebäude im Besitz der Kirche nutzte der Kuererzkanzler (bis 1806) und Fürstprimas Carl von Dalberg von Dezember 1802 bis 1810 als seine Regensburger Residenz.
Dalbergs Hofstaat war extrem bescheiden. Er hatte vier Kammerherren, drei Köche und einen Hofkaplan. Der päpstliche Gesandte Graf Troni berichtete am 11. März 1804 über Dalbergs Residenz:
“Er speiset meistens allein. … seine Tafel ist so frugal wie die seiner Hofleute. Seine Garderobe ist auf das notwendigste beschränkt. Sein Wagenpark besteht aus zwei Kutschen und acht Pferden. In seinem Mobiliar befindet sich weder überflüssiges noch ausgesuchtes.” (Zit. nach FÄRBER, Carl von Dalberg – Reichsverräter oder Reichspatriot, in: Karl HAUSBERGER (Hg.), Carl von Dalberg, Der letzte geistliche Reichsfürst (Schriftenreihe der Universität Regensburg Bd. 22), Regensburg 1995, S. 172)
“Hauptquartier” des “zu neugierigen” Napoleons
Nach der Eroberung und Plünderung Regensburgs durch die französische Armee und Rheinbundkontingente logierte hier am 24. und 25. April 1809 der am Fuß verwundete Napoleon. Dalberg war nicht anwesend. Er war in Frankfurt am Main und erfuhr dort von der Katastrophe seiner Residenzstadt. Sofort schickte er 10.000 Gulden nach Regensburg. In Regensburg vertrat Dompropst Graf Thurn, der ebenfalls in der Residenz wohnte, den Regenten. Hier unterzeichnete Napoleon am 24. April den Tagesbefehl in „unserem kaiserl. Hauptquartier zu Regensburg“. Major-General Fürst von Neuschatel Alexander Berthier hat den Befehl mitunterzeichnet und in zwei Spalten auf einem Bogen Papier drucken lassen. Die erste Spalte gibt den „Ordre du Jour“ in Französisch und die zweite spalte den „Tages-Befehl“ in Deutsch wieder. Napoleon beginnt mit dem Lob auf die Soldaten, die seinen Erwartungen gänzlich entsprochen haben. Obwohl zahlenmäßig unterlegen, hätten sie durch ihre Tapferkeit „die nöthige Anzahl ersetzt“. Napoleon betont den Unterschied zwischen den schnell marschierenden, mutigen Soldaten des Kaisers und den „bewaffneten Horden des Xerxes.“ Nach der Nennung der Beutestücke rühmt Napoleon seine Strategie: „Meine Avantgarde hat bereits den Inn passirt, und ehe ein Monat verfließt, sind wir in Wien“
Eine in Regensburger Ärztekreisen gern erzählte Geschichte berichtet, dass Napoleon sich erkundigte, wer der beste Arzt Regensburgs sei. Daraufhin wurde der Wundarzt Pförringer zum Kaiser gerufen. Er behandelte den Feldherren kostenlos mit der stolzen Begründung: “Vom Feind nehme ich kein Geld an.” Napoleon ließ dem Arzt dennoch eine Goldmünze überbringen, die noch heute im Besitz der alten Regensburger Arztfamilie sein soll.
Am Abend des 25. April erlebte die Residenz einen feierlichen militärischen Empfang, den ein Augenzeuge so beschrieb:
“Der Kaiser stand, in einfacher Generals-Uniform, in der Mitte des Zimmers, unter einem beleuchteten Kronleuchter, während im Hintergrunde seine Marschälle in glänzender Uniform aufgestellt waren. Der Stiefel an dem verwundeten Fuße war auf dem Riste aufgeschnitten und mit Bändern zugebunden. Mit übereinander geschlagenen Armen (der Stellung, in welcher sein Bildniß gewöhnlich vorkömmt) hörte er die Anrede des Freiherren von Albini an, welcher am Schlusse bedauerte, daß der Kaiser verwundet worden sey. Darauf erwiderte dieser lächelnd: “Das macht nichts, ich war zu neugierig” (Bericht des Oberlandesgerichtsrates Ludwig Christian Kayser)
Ob es danach in der Residenz ein Diner gab oder ob nur Champagner ausgeschenkt wurde ist nicht überliefert. Napoleons Reiseservice dürfte für mehrere Personen ausgerichtet gewesen sein, zumindest für ein Essen mit seinen Marschällen. Ein Teller von Napoleons Sevres-Porzellan blieb auf der nächsten längeren Etappe in Burghausen zurück, weil er beschädigt worden war. (STADT BURGHAUSEN (Hg.) 100 Kunst-Stücke aus dem Stadtmuseum Burghausen, Burghausen 1999, S. 148f.)
Die Eroberung Regensburgs durch die Soldaten Napoleons und des verbündeten bayerischen Königs war übrigens keineswegs so spektakulär wie die Propaganda und die Geschichtsschreibung erzählen. Der Regensburger Geistliche Georg Michael Wittmann, Regens und Dompfarrvikar, berichtet als einziger wahrheitsgemäß wie die Eroberung verlief. Kanonenkugeln schossen eine Bresche in die Stadtmauer, deren Mauerkrone 1803 um 6 Fuß – 1.80 m – abgetragen worden war. Eine Verteidigung der Stadtmauern Regensburg war wegen des fehlenden Wehrganges nicht mehr möglich. Die Franzosen konnten so in die Stadt ohne Gegenwehr eindringen. Wittmann beschreibt die Lage in seinem bedeutenden Bericht „Nachricht vom Brande des erzbischöflichen Seminariums zu Regensburg den 23ten April 1809 (Bischöfliches Ordinariat Regensburg und Kunstsammlungen des Bistums , 1809 Dompfarrer Wittmann als Nothelfer im Feuersturm von Regensburg, Mitterfels 2009, S. 17-27) lapidar:
„So geschah es, daß die einzelnen an die Bresche hinaufkletternden, und in die Stadt heruntersteigenden Franzosen von Niemanden bemerkt wurden. … und es geschah nicht ein einziger Schuß.“ Die Franzosen erschossen nun rücklings die Österreicher, welche nur die Stadttore mit ihren Türmen verteidigen konnten.
Dalberg läßt die obdachlosen Seminaristen in seine Residenz einziehen. Wittmann schreibt am Schluß seines Berichtes:
„Seine Hoheit der Fürst Primas nimmt dieses kleine künftigjährige Seminarium in sein eigenes Palais auf, worin eine sehr bequeme Abtheilung des Hauses vom Seminarium schon bezogen ist, und werden in dem Monate Oktober <1809, der Verf.> noch einige Seminaristen eintreten. / Gott erhalte die Diözese …“
Historische Polsterungstechnik
Von der originalen Polsterung sind noch die handgewebten Hanfgurte mit der darauf liegenden Sackleinenbespannung erhalten. Die Wulsten an den Polsterkanten – in der Fachsprache der Tapezierer Bourlet genannt – sind bei vier Stühlen original erhalten (Fotodokumentation). Verwendet wurden handgeschmiedete Eisennägelchen. Von unten wurde mit schwarzer Farbe eine Raum(?)-Nummer mit dem vorausgehenden Buchstaben “R” aufgemalt. „R“ könnte für Residenz stehen:
„R 24“: Bei diesem Stuhl wurde ein Stück Sackleinengewebe verwendet, das in Erstfunktion für einen Warenballen gedient hatte. Es ist noch das obere Drittel eines Hauszeichens zu sehen mit dem Buchstaben C. Das Hauszeichen gibt den Lieferanten an. Hauszeichen waren bei Handelshäusern üblich und übernahmen die Funktion von Wappen.
Der historische Aufbau der Polsterung wurde fotographisch dokumentiert. Die Sitzmöbel sind somit auch ein seltenes Denkmal für die klassizistische Polsterungstechnik.
Gustav Schauer, Berlin 1910 nach Paul Delaroche, posthumes Bildnis Napoleon Bonaparte, Farbdruck aus der Regensburger Residenz Domplatz 6, Hauptquartier Napoleons vom 24. bis 25. April 1809
Farbdruck, „Gustav Schauer, Berlin 1910“ (links unten bezeichnet, „Nr. 2497“ (Mitte unten), R. Delaroche pinx. (rechts unten) vom Erstbesitzer Oskar Ringler gerahmt mit einem Goldrahmen im Rokokostil, originale schöne mundgeblasene Glasscheibe, 92,5 cm; 74 cm
Der Farbdruck, hergestellt in Berlin 1910, reproduziert ein posthumes Porträt des Pariser Historienmalers Paul Delaroche (1797-1856). Napoleon steht an seinem Schreibtisch im Schreibkabinett in den Tuilerien, der ehemaligen Residenz der französischen Könige in Paris. Der historisch Interessierte Kaufmann und akademisch ausgebildete Kunstmaler Oskar Ringler war Besitzer von Domplatz 6. Die Grafik sollte an den berühmten “Gast” des Hauses erinnern.
Das Ende des Fürstentums Regensburg – Dalbergs Auszug aus der Residenz 1810
Am 28. Februar 1810 läßt Dalberg eine gedruckte Abschiedserklärung an die Regensburger verteilen. Es ist ein persönlich gehaltener Brief des „treuen Freundes“ aller Regensburger:
„An sämmtliche biedere Einwohner des Fürstenthums Regensburg. / Die göttliche Vorsehung hat mich nach Regensburg geführt, woran ich nicht dachte. Ich fand biedere edle Menschen, und meine Pflichten geboten mir, soviel für ihr Wohl zu wirken, als mir möglich war. …“
Dalberg sieht Regensburg beim bayerischen König „väterlich“ aufgehoben; sind doch die Regensburger historisch gesehen Angehörige des „deutsch-bayerischen Volkes“. Regensburg und Stadtamhof gehören nun zusammen zu einem Territorium. Dalberg segnet die Stadt, wüscht Friedensjahre und „glücklichere Zeiten“:
„Dies wird immer der aufrichtige Wunsch seyn des treuen Freundes Carl von Dalberg.“ (zit. nach Hans-Jürgen BECKER und Konrad Maria FÄRBER (Hg.), Regensburg wird bayerisch. Ein Lesebuch, Regensburg 2009, S. 53).
Was von der Hofhaltung seiner Regensburger Residenz Dalberg persönlich gehört hat, hat er mitgenommen oder verschenkt. Das Staatsporträt in Marmor mit vergoldetem Bronzerahmen schenkte er seinem Dompropst und Präsidenten Benedikt Joseph Wilhelm Reichsgraf von Thurn-Valsassina. Mitgenommen hat er sicher sein persönliches Tafelsilber und Porzellan sowie seine Bibliothek. Nur die Bibliothekschränke verblieben in der Residenz. Dalbergs Bücher waren einheitlich im Rokokostil goldgeprägt in Leder gebunden und mit seinem Wappen als Supralibros versehen Was dem Regensburger Bischofsitz, dem Hochstift, und zur Hofhaltung des ehemals Mainzer Kurfürsten und Kurerzkanzlers gehörte, hat der korrekte Dalberg in der Residenz zurückgelassen. Diese Objekte gelangten in den Besitz des Königs von Bayern und wurden erst 1811 inventarisiert.
Nicht ein Minister Dalbergs, sondern der französiche General Compans übergab 1810 Regensburg den bayerischen Bevollmächtigten. Dies geschah nicht in der ehemaligen Residenz Dalbergs, sondern im Bischofshof, in einem Raum mit Erker im 1. Obergeschoß des Westflügels.
Provenienz – das Inventar von 1811
„Inventarium über das der Königlichen Maiestaet von Baiern gehörige Mobilare, welches zu Regensburg in der alt= und neu=Fürstlichen Residenz Litt: G. Nro 75. et 76. sich befindet.“
Deckblatt und 79 Seiten
Diese Literanummern stimmen mit der heutigen Literanummerierung der Residenz = E 57 nicht überein
Die Sitzmöbel stammen aus der Regensburger Kaufmannsfamilie Ringler, die nach 1853 das Gebäude der ehemaligen Residenz Domplatz 6 erworben hatte. Dass dabei die Stühle im Hause überlebt hatten, ist gut vorstellbar. Der letzte Ringler hieß Oskar. Er war nicht nur Kaufmann, sondern hatte auch an der Münchner Akademie Malerei studiert. Um 1905 porträtierte Ringler den Regensburger Weihbischof Sigismund Freiherr von Ow-Felldorf, der 1907 zum Bischof von Passau ernannt worden ist. Der Künstler betätigte sich auch als Photograph. Der Ringlerbesitz ging an seinen Neffen, der eine Eisenwarengroßhandlung im Haus Domplatz 6 führte. In Oskar Ringlers Wohnung im Haus Domplatz 6 hieng ein Halbfigurenporträt Napoleons in Form eines 1910 hergestellten, hinter Glas gerahmten Farbdruckes, der noch erhalten ist. Man war auf den berühmten Gast des Hauses stolz.Das 1811 erstellte Inventar der Residenz ist in die Kategorien „I. Silbergeräthe“, „II. Weißzeug“, „III. Meubeln“ und „IV. Porzelain, Zinn und Kupfer“ aufgeteilt. Dalberg speiste in Regensburg übrigens auf „Münchener Porzelin“ (S. 57), Nymphenburger Porzellan. Das Service dürfte ursprünglich über 60 Gedecke umfaßt haben. Ebensoviel Stühle mußten vorhanden sein, die wohl auf verschiedene Räume verteilt waren und nur zu großen Einladungen in den „Speisensaal“ (Inventar S. 45) gestellt worden sind. Das Inventar erwähnt noch folgende Räume: „Visitenzimmer“, „Audienzzimmer“(S. 45) mit aufgeschlagenem (S. 48) Baldachin, „Zim … 2te Etage“ (S. 45) und „Hauskapelle“ (S. 54). Da die Sitzmöbel en suite mit der Raumfarbe bezogen waren, gab es in der Residenz mindestens einen Salon in Blau und einen in Grün, sowie mehrere in Rot.
Kategorie „III. Meubeln“ erfaßt die Objekte nicht nach Räumen sondern nach Funktionen. Der Inventarisator Johann Georg Plato „genannt Wild“ beginnt mit den wertvollen Spiegeln. Es folgen die Gruppe der Tische und dann die Gruppe „Sessel, Stühl und Kanappe“. Jede Gruppe beginnt mit der Inventarnummer 1. So werden bei den Sitzmöbeln unter der Nr. 15 „5 Sessel … bezochen“, unter Nr. 23 „12 Sessel mit rothem Damast“ und unter Nr. 24 „1 Kanapee mit blauen Atlas …aus dem Emeran: Palais“ aufgelistet. Die Nr. 24 mit dem Kanapee passt nicht zum Nummerierungssystem unserer beiden Stühle. Daraus ergibt sich, dass es sich bei den unter den Sitzpolstern aufgemalten Zahlen R 15 ; R 23; R 24. (auf zwei Stühlen) usw. nicht um Inventarnummern handeln kann, sondern um Raumnummern. Die einzige im Inventar genannte Raumnummer ist die „Nr. 14“. Dort wurden die wertvollen Beuteobjekte des neuen königlichen Besitzers gesammelt und „versperrt“. Grundrisse mit Raumnummerierungen könnten den Standort genau bestimmen. Baupläne sind laut Strobel, Baualterspläne Regensburg III, S. 26 erst ab 28.2.1858 vorhanden.
Das Inventar unterscheidet zwischen „Stühlen“, die keine Polsterung besitzen, „Sesseln“ mit Polsterung, Sesseln mit Lehnen und Kanapees. Nur in Sternbergs Wohnung, die ein eigenes Inventar erfasst, werden 8 Sitzmöbel mit „Fauteuill“ bezeichnet: „8 Fauteuill von apfelgrünen Atlas mit gelben Blumen, die Gestell in antiquen Geschmack von Mahagony nebst gelb leinenen Überzügen“ (Inventar Sternbergwohnung in der Residenz, 16. Februar 1811). Das Inventar beschreibt zuerst die Bezugstoffe, die an Wert die Gestelle übertrafen und deshalb mit Leinenüberzügen, sogenannten Houssen, bei Nichtgebrauch geschützt wurden.
Auffallend ist auf Seite 34 des Inventars die Beschreibung von „19 Neue Sessel mit Überzug von Roßharr“. Es handelt sich hier um die einzige Position unter den Sitzmöbeln der Residenz mit der Bezeichnung „Neue“. Es muß sich hierbei um unsere, für das Jahr 1811 immer noch sehr modern gestalteten Stühle handeln. Die anderen gepolsterten Sessel – über 60 an der Zahl – waren wohl eher im Louisseizestil gehalten; darunter wohl auch Bestände aus Mainz bzw. der fürstbischöflichen Hofhaltung vor Ort. Die im Inventar mit 50 Gulden hoch bewertete barocke, französische Atlasuhr im Louisseize-Gehäuse (Inventar S. 44) stammte sicher aus Mainz und gelangte später in den Besitz des Hauses Thurn und Taxis. Sie war ein prominentes Ausstattungsstück der Dalbergschen Residenz und befindet sich heute im Besitz des Bayerischen Nationalmuseums München.
Ein Satz von 24 Sesseln?
Die modernen schlichten Stühle mit Rosshaar stabil bezogen dürften einmal wohl 24 Stück gewesen sein. Unsere fünf Stühle wurden wohl bei der Inventarisation übersehen; zusammen mit den 19 im Inventar erfaßten Sesseln, ergäbe es die Zahl 24. Dalbergs praktisches Denken gepaart mit einer gewissen Sparsamkeit für sein persönliches Umfeld wird durch diese Stühle augenfällig. Im Vergleich zum konservativen Bürgertum war der international orientierte Aristokrat ein Trendsetter, der modisch voraus war. Erst nach 1820 begann der Biedermeierstil im Bürgertum sich durchzusetzen.
Nutzung der Residenz von 1810-1856
Die Residenz Dalbergs gehörte seit 1810 der Königlichen Civilliste, die das Gebäude für die Benutzung durch den König unterhielt. Allerdings scheinen die Wittelsbacher ihre Regensburger Residenz kaum bewohnt zu haben. Sie zogen den Aufenthalt im sicher komfortableren Hotel Goldes Kreuz vor.
Von 1831-1856 war in der Residenz die königliche Gewerbeschule untergebracht. Das Gebäude diente ab 1834 auch dem 1831 gegründeten Historischen Verein zur Unterbringung der Sammlungen. 1839 hatte im 2. Obergeschoss der 1838 gegründete Kunstverein – heute Kunst- und Gewerbeverein Regensburg e. V. – seine Geschäftsräume.
1853 wurde das Gebäude schließlich von der Königlichen Civilliste an die Stadt Regensburg übergeben (BAUER, Regensburg, Auflage 1970, S. 29). Dafür finanzierte die Stadt den Bau der königlichen Villa. Was mit der Residenz-Ausstattung passiert ist, wurde bisher nie untersucht. Teile könnten in die königliche Villa gelangt sein. Auch ist zu vermuten, daß das Fürstenhaus Thurn und Taxis Mobiliar erworben hat. Unsere fünf, damals unmodernen Stühle müssen im Gebäude verblieben sein. Nach 1853 wohl erst 1856 erwarb die Kaufmannsfamilie Ringler von der Stadt Regensburg die Residenz.
Restaurierung
Die alten Lacke wurden gereinigt und auf die Erhaltung der Patina größter Wert gelegt. Die originale Polsterung wurde erhalten, indem die Gurten nachgespannt werden konnten.
Würdigung
Dieser seltene Satz früher Regensburger Biedermeierstühle ist von großer kunstgeschichtlicher Bedeutung für die süddeutsche Biedermeierforschung. Sie zählen zu den ersten Biedermeiersitzmöbeln Regensburgs. Durch totalen Verzicht auf Ornamente oder eine Vergoldung werden durch die Reduktion auf die Holzmaserung als einzige ästhetische Qualität aus formalen Empirestühlen – wie es sie in Paris gab – Biedermeierstühle. Der nebenstehende Speisezimmerstuhl mit der nach hinten sich einrollenden Rückenlehne ist formal mit den Regensburger “neuen Sesseln” eng verwandt. Das Sitzmöbel wurde 1800 für Schloß Malmaison in der bedeutenden Werkstatt der Gebrüder Jacob in Paris gefertigt.
Der extrem gute Erhaltungszustand der Polsterung ist kulturgeschichtlich interessant und vorbildlich für die Restaurierung vergleichbarer Objekte.
Die Provenienz aus der Residenz verleiht den Proto-Biedermeiersitzmöbeln zusätzlich eine kirchengeschichtliche Dimension. Sie sind bisher die einzigen erhaltenen Möbel aus der Regensburger Residenz des Kurerzkanzlers bzw. seit 1806 des Fürstprimas von Deutschland, Carl von Dalberg (1744-1817).
arl von Dalberg hat es verdient, dass ihm in seiner ehemaligen Residenz, die neuerdings erfreulicher Weise wieder im Besitz der Kirche ist, ein Erinnerungsraum gewidmet wird. Erfreulich wäre es, wenn der ehemalige “Speisensaal” wieder etwas von seinem alten Glanz erhalten würde.
Vater Sigfried Färber interessierte sich bereits 1949 für den “Menschenfreund” Dalberg (Sigfrid Färber, Brücke über den Zeitenstrom, München 1949, S. 155-160, S. 155 nebenstehende Initiale, Holzschnitt von Hans Jörg Schuster). Sein Sohn Dr. phil. Konrad-Maria Färber (1941-2013) war der exzellente Dalbergkenner, der sich immer über Neuentdeckungen zu Dalberg besonders gefreut hat.
NACHTRAG:
Ohne historische Einzelheiten zu kennen, sind Stühle im Lust- und Jagdschloß Favorite in Ludwigsburg, heute im großen Mittelsaal stehend (Raumkunst Kunstraum, Innenräume als Kunstwerke – entdeckt in Schlössern, Burgen und Klöstern in Deutschland, Regensburg 2005, FAbb. S. 34) formal und wohl auch von der Zeitstellung her fast identisch mit den modernen Regensburger Residenzstühlen. Auftraggeber war Herzog Friedrich II von Württemberg, der 1806 durch Napoleons Gnaden zum König Friedrich I. von Württemberg erhoben worden ist. Hofschreiner war damals Johannes Klinckerfuß.
Archivalien: Stadtarchiv Regensburg, Zentralregistratur 1, 1390 (Inventar der Residenz) und 1389 (Auktionsprotokoll November 1811)
Lit.: Rudolf Pressler, Stefan Döbner und Wolfgang Eller, Biedermeier-Möbel. Antiquitäten-Katalog. München 2001, FAbb. S. 78, Kat.Nr. 398 mit Abb.
Vergleichbare Stühle in der Lit.: Ottomeyer/Schlapka 1991, S. 167, Abb. links oben (Stuhl süddeutsch um 1805/06). Ottomeyer, Zopf- und Biedermeiermöbel (Bestandkatalog Stadtmuseum München), München 1991, Kat. Nr. 53 (Stühle 1805) und Kat. Nr.50 (sechs Polsterstühle mit gotisierendem Gittermotiv, München 1803). Ausstellungskatalog Möbel für den Fürstenhof, Karlsruhe 1994, Kat. Nr. 33 (Stuhl Karlsruhe 1804-05).
Zum Residenzgebäude Domplatz 6 siehe: Karl-Heinz BETZ und Richard STROBEL, Baualtersplan zur Stadtsanierung, Regensburg III, Lit. E Wahlenwacht, München 1980, S. 24-26, Abb. 29, 32, 44