Dr. phil. Wolfgang Baumann
ANTIQUITÄTEN UND KUNSTHANDLUNG
gegr. 1909


Nicht wahr, mein Herr ?
Schön ists, die Kunst verstehen
Subtil mit Mädchen auszugehen
Sie können es, Herr Sckler !

(Fräulein F.D. aus Stadt am Hof, 1805, Stammbuch,
Germanisches Nationalmuseum, Bibliothek, Sign. Hs 84 104 q.)

Das Barockhaus der Familie Schkler in der Wahlenwacht, Kramgasse 6 (E 49) -
Wohnkultur Regensburgs im 18. Jahrhundert und Denkmalpflege heute

Ein Vortrag von Dr. Wolfgang Baumann


„pagus mercatorum“ – das mittelalterliche Kaufmannsviertel

Das schmalrechteckige Grundstück liegt im Nordwesteck des ehemaligen römischen Legionslager, das 179 nach Christus unter Kaiser Marc Aurel errichtet worden ist. Das Haus steht also auf römischem Kulturboden.

Die Geschichte des Hauses Kramgasse 6 geht weit über 800 Jahre zurück in das Hochmittelalter. Das Gebäude liegt an der Ostgrenze des mittelalterlichen Pagus mercatorum, des Kaufmannsviertels der Stadt.

Der geringe Platzbedarf des Grundstückes reichte einem Fernhandelskaufmann aus. Handwerkerfamilien dagegen benötigten meist größere Flächen. Zur feuersicheren Verwahrung der Fernhandelsprodukte diente oft ein von der Straße zurückgesetztes feuersicheres Steinhaus, das man damals in Regensburg vielleicht „Drießl“ – lat. thesaurus, Tresor – genannt hat. Diese an die 20 Meter hohen Tresortürme hatten wegen der niedriger bebauten Umgebung wahrlich den Charakter von Türmen, zumal der angebaute Wohntrakt an der Gasse weitgehend aus Holz und Lehm errichtet worden war. Dieser Befund mit dem von der Gasse zurückgesetzten Tresorturm lässt sich noch heute im östlich angrenzenden Nachbarhaus beobachten. Später komplettierten sich die Häuser ganz aus Stein. Die Nutzung der Gebäude in der Kramgasse änderte sich von Sitzen wohlhabender Fernhandelsfamilien zu Häusern von Kaufleuten und Handwerkern.

Nach 1500 beginnt die Liste der Namen der Besitzer des Hauses Kramgasse 6. 1527 bezahlen Adam Kelner und Anna den Barfüßern Zins. Wohl im 17. Jahrhundert wurde das schmale mittelalterliche Grundstück nach Westen an der Kramgasse vergrößert. Man kaufte den angrenzenden Teil vom Nachbarhaus dazu und konnte so die Fassade an der Kramgasse verbreitern.

 

Die „Behausung“ der Kaufmannsfamilie Schkler
in der Kramgasse in Regensburg

Unser heutiges Gebäude wurde um 1740 neu erbaut. Die romanischen Keller waren so solide gewölbt, dass sie stehen blieben und dem Barockbau als Fundament dienen konnten. Dieses Haus möchte ich Ihnen vorstellen.

Ein Gebäude besteht nicht nur aus einer Fassade. Der englische Architekturhistoriker Joe Friedman, Kurator der Pariser Residenz des Herzogs von Windsor, formuliert diesen Sachvehalt sehr schön: "Für mich ist eine Fassade ein Fragezeichen, und ich habe das Gefühl, ein Gebäude nicht zu kennen, solange ich nicht auch das Innere gesehen habe."

Das Barockhaus Kramgasse 6 besitzt ein Innenleben mit Patina, das heißt Spuren der Vergangenheit. Wir bemühen uns diese Patina zu erhalten. Dabei ist es spannend, kriminalistisch jene Spuren zu suchen und zu deuten, die das Gedächtnis an das 18. Jahrhundert beinhalten.

Die Fassade - Österreichisches Barock in der Reichsstadt

Die Fassade gliedert sich in vier Vollgeschosse und zwei Geschosse im Bereich des Mansarddaches. Das Erdgeschoß besitzt drei unterschiedlich große Hausteinbögen. Das erste, zweite und dritte Obergeschoß weisen fünf Fensterachsen auf. Zwischen der dritten und vierten Fensterachse verläuft asymmetrisch in der Fassade eine Lisene. Sie verrät die dahinterliegende Raumaufteilung. Das dritte, am höchsten gelegene Obergeschoß ist das am hellsten belichtete Geschoß mit voller Fassadenbreite. Es ist das piano nobile. In ihm befindet sich der Festsaal des Hauses. Im vierten Obergeschoß reduzieren sich die Fensterachsen auf drei. Hier setzt das Mansarddach oder französische Dach an.

Das fünfte Obergeschoß bildet der Dachboden mit einer Türöffnung. Im darüber gelegenen niedrigem obersten Dachgeschoss war ein Holzgalgen befestigt, der hoch oben über einem Ochsenauge aus dem Segmentteil des Giebels herausragte. So konnten Lasten direkt von der Kramgasse in den Dachboden hochgezogen und durch die besagte Türöffnung hereingeholt werden. Dies war wohl vor allem für die Lagerung des Brennholzes wichtig.

1865 wurde das Erdgeschoß wie im 19. Jahrhundert in ganz Europa üblich durch eine vorgeblendete Schaufensterfront aus Eichenholz im neogotischen Stil verbaut. Die Entwurfzeichnung zur "Auslage" des Regensburger Schreinermeisters Rummel ist erhalten.

1950 ließ meine Großmutter Anna Baumann die Fassade restaurieren. Der städtische Denkmalpfleger und Kunsthistoriker Dr. phil. Walter Boll betreute die Maßnahme: Der neogotische Vorbau wurde entfernt. Das stark beschädigte erste Horizontalgesims zwischen EG und 1. OG wurde damals ganz erneuert. Das Profil zu dem zu erneuernden Gesims entwarf der älteste Sohn meiner Großmutter, der junge Bauingenieur Richard Baumann. Die Mauerflächen des Erdgeschosses sind heute glatt, dürften aber im 18. Jh. wohl durch eine Nutungen rustiziert gewesen sein.

Die Farbigkeit der Fassade, rosa Grund und ockerfarbene Instrumentierung, geht auf den Regensburger Museumsdirektor und Denkmalpfleger Walter Boll zurück, dessen Vorliebe für Rosa sprichwörtlich geworden ist: "Bollrosa". Den gleichen Farbklang finden sie am stadtseitigen Brücktor der Steinernen Brücke und am Stadtamhofer Brückenbazar.

Die Winterfenster stammen aus dem 19. Jahrhundert und waren damals in einem grünlichen Umbraton gestrichen. In diesem Farbton waren auch im 18. Jahrhundert die aus Eichenholz gefertigten Barockfenster gefasst. Das schöne alte mundgeblasene Fensterglas mit den Bleiruten gibt der Fassade zusätzlich eine lebendige Oberfläche. Winterfenster, die mit der Fassade bündig schließen, sind in Regensburg inzwischen eine Rarität.
Die Geschichte der Winterfenster in Regensburg lässt sich mindestens bis in das Ende des 18. Jahrhundert verfolgen. 1795 ließ Fürstabt Cölestin Steiglehner in den heizbaren Nachtchor hinter dem Hochaltar von St. Emmeram Winterfenster einbauen

Vorbilder in Regensburg und Wien

Die Giebelfassade mit Voluten, die das Mansarddach kaschieren, kommt laut Literatur in Regensburg seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts vor. Die stark plastische Fensterrahmung im ersten Obergeschoß mit den sphärisch einschwingenden Giebelverdachungen, den triglyphenartigen Keilsteinen mit Guttäbesatz finden wir sehr ähnlich im 2. Obergeschoss an der Fassade des Löschenkohlschen Stadthauses am Neupfarrplatz in Regensburg, heute Dresdner Bank. Dreiecksförmige Fensterverdachungen kommen aus der Architektur Oberitaliens, die durch Sebastiano Serlio (1475-1554) und Andrea Palladio (1508-1580) europäische Bedeutung erlangt hat. Die Guttä erinner(te)n den Architekturkenner an das Gebälk des dorischen Tempels, der architekturikonologisch auf die männliche Domäne verweist: Hier wohnte der Hausherr !

Hieronymus Löschenkohl wurde in Wien geboren. Seine Mutter war eine Regensburgerin aus der vermögenden Familie Dallensteiner. In Regensburg ließ der "Kaufherr" und Bankier nach Plänen des renommierten Linzer Architekten Johann Michael Prunner (1669-1739) - eines Schülers von Johann Lukas von Hildebrandt - durch den Regensburger Maurermeister Johann Adam Uferer 1731 bis 1733 einen Gebäudekomplex mit anspruchsvollen Fassaden an der Pfarrergasse und am Neupfarrplatz errichten. Der qualitativ beste Privatwohnbau des 18. Jahrhunderts in Regensburg war ein Trendsetter für den spätbarocken Wohnbau in der Reichstadt.

Das Vorbild für das Löschenkolsche Haus war der Wiener Palaisbau: Anton Johann Ospel errichtete nach 1719 das Palais Wilczek - benannt nach dem späteren Besitzer Graf Hans Wilczek (1837-1922), einem faszinierenden Wiener Kunstsammler des Historismus. Der gebürtige Wiener Löschenkohl kannte natürlich dieses Barockpalais in der Herrengasse und verlangte nun etwas Ähnliches von seinem Architekten Prunner.

Auch dem Bauherren des Hauses Kramgasse 6 war die Architektur der kaiserlichen Residenzstadt durch archivalisch nachweisbare Wienreisen bekannt. Das Haus Kramgasse 6 vereint die bewährte und praktisch notwendige Giebelfassade eines Kaufmannshauses mit "modernen" Details in Form des Fassadenstuckes. Und hier liegen die Vorbilder donauabwärts, letztlich in der Wiener Architektur nach 1700.

Die Geschichte überlebt nur in der originalen Raumdisposition

Die Fassade eines Gebäudes macht noch kein Haus aus. Sie ist lediglich die öffentliche Seite eines Hauses: Folglich ist es problematisch, nur Fassaden zu erhalten und das, was sich dahinter befindet zu "entkernen" wie es die Architekten formulieren, eigentlich müßte es heißen, den kulturgeschichtlichen Kern eines Hauses auszuradieren. Allein die alten Kamine und ihre Anschlussmöglichkeiten für Rauchküche und Kachelöfen erzählen viel von der Heizbarkeit und somit Nutzungsmöglichkeit eines Raumes.

Oft zeigt ein Gebäude nach der Sanierung einen völlig anderen Grundriß. Vergleicht man den Plan mit einer Bauaufnahme desselben Gebäudes vor der Sanierung, glaubt man zwei verschiedene Bauten zu sehen.

Die "Schklersche Behausung und Hofstatt"

Die Literatur versuchte stilistisch die Fassade des Hauses Kramgasse 6 zwischen 1680 und 1740 zu datieren. Auch nach archivalischen Forschungen ist es bisher nicht gelungen, exakt die Erbaungszeit zu ermitteln. Das Haus dürfte gegen Ende der genannten Zeitspanne, um 1740/50 errichtet worden sein. Ein Baumeister ist nicht bekannt. Um 1750 war in Regensburg als Baumeister Johann Paul Uferer tätig.

Der Regensburger Stadtarchivar Klebel recherchierte archivalisch vorbildlich nach den Besitzern des Hauses Kramgasse 6. Auf Wunsch meines Vaters erstellte er in den 1950er Jahren eine Besitzerliste und teilte mit, daß seiner Meinung nach, zumindest eine Veränderung des Hause durch den Besitzer Leonhard Balthasar Schkler (1711-1780) erfolgt sein könnte.

Die Fassade allein half hier nicht weiter, des Rätsels Lösung brachte eine Schloßplatte einer Türe im Hause. Die dick überlackierte Schloßplatte wurde freigelegt. Sie besteht aus Messingblech und ist fein mit Laub- und Bandlwerk graviert: Im Zentrum sind in einem stehenden Oval die ligierten Buchstaben „LBS“zu lesen, für Leonhard Balthasar Schkler. Der Barockbauherr des Hauses Kramgasse 6 war ermittelt. Zumal das Türschloß nie vom Türblatt entfernt worden war, zur Originalausstattung des Barockhauses gehört.

Wer war Leonhard Balthasar Schkler ?

bürgerlicher Handelsmann allhier zu Regensburg heißt es in einem Siegelprotokoll des Regensburger Stadtarchives.

Leonhard Balthasar Schkler wurde 1711 geboren. Er entstammt nicht einer Regensburger Familie. Die Familie kam wohl aus den Niederlanden nach Regensburg. Schkler heiratete in Regensburg um 1737/38 die 10 Jahre ältere Witwe Maria Magdalena Spring (1701-1739), ihr gehörte das Haus Kramgasse 6 Behausung und Hofstatt in der Kramgasse allhier. "Behausung" war damals die ortsübliche Bezeichnung für ein Bürgerhaus.

1738 wurde ein Sohn geboren, Ludwig Leonhard Schkler, der als weitgereister Kaufmann später in der Kulturgeschichte Regensburgs als Freimaurer und Regensburger Logengründer eine gewichtige Rolle spielen sollte. Er war wohl eine Art „Sarastro“ von Regensburg (zur Biographie bitte hier klicken), der 1807 verstorben ist.

Am 29. Dezember 1739 starb Frau Maria Magdalena Schkler, 38 Jahre alt, einen Sohn hinterlassend. Erst 11 Jahre später heiratete der Kaufmann ein zweites Mal, Wilhelmina Ernestina Adelheid Schkler, die Witwe seines Onkels. Die Ehe wird vom Consistorium der Stadt Regensburg aber nicht anerkannt. Es gab einen Skandal in Regensburg. Die Frau wurde exkommuniziert, weil sie sich weigerte, die Ehe zu lösen und Regensburg zu verlassen. Am 5. Mai 1751 verstarb sie und wurde des nachts , ohne leiche und exequien beerdigt.

Vermutlich kurz danach um 1752 (?) heiratete Schkler ein drittes Mal: wieder eine Witwe, Maria Magdalena Schlemmer. Eine Tochter wurde geboren, namens Rosina Frederica. Der 67jährige Schkler vermachte seiner dritten Frau schließlich das Haus in der Kramgasse, um seine jüngere Frau abzusichern. Es heißt in der Urkunde vom 27. November 1778:

Ich Leonhard Balthasar Schkler, bürg<er>l<icher> Handelsmann allhier zu Regensburg, uhrkunde u<nd> bekenne hiermit, in Kraft vorliegenden Briefes, für mich, meine Erben, freunde u<nd> Nachkommen, daß ich aufrichtig u<nd> redlich, eines steten u<nd> ewigen Kauffes abgetreten und überlassen habe, meiner herzlich geliebten Eheconsortin, Frauen Maria Magdalena Schklerin, ehemals verwittibten Schlemmerin, allen deren Erben und Nachkommen, meine eigenthümlich von meiner weil<and> ersten Ehefrauen Maria Magdalena, verwittibten Springin ehehir, herrührende Behausung u<nd> Hofstatt in der Kramgasse allhier ...

Am 2. November 1780 starb Leonhard Balthasar Schkler im Alter von 69 Jahren. Die Schklers führten als Siegel ein Wappen mit drei Schlegeln.

Die Regensburger Kramerinnung
und ihre "Zusammenkünfte" im Haus Kramgasse 6

1743 wurde Schkler Vorsteher der Regensburger Kramerinnung und behielt diese ehrenvolle Position 33 Jahre lang. Die „Cramerbruderschaft“ besaß seit 1392 eine Zunftordnung – die älteste Regensburgs. „Die Krämer ... bildeten sozial ... eine Gruppe zwischen Fernhändlern und borgendem Großkaufmann einerseits und der breiten Handwerkergruppe andererseits.“ Am 23. November 1747 erfolgte eine Einladung der Kramer „zur Zusammenkunft im Schklerschen Hause“ .

Diese archivalisch belegte Nennung des Schklerschen Hauses lässt vermuten, dass zu diesem Zeitpunkt im November 1747 das Barockhaus spätestens fertiggestellt war. Im 3. Obergeschoß ließ Schckler eigens einen aufwändig ausgestatteten Gesellschaftsraum planen, der für Zusammenkünfte der Kramerinnung geeignet war. Da die Innungen und Zünfte in Regensburg keine eigenen Zunfthäuser besaßen, kann davon ausgegangen werden, dass die Mitglieder aus der „löblichen Kaufmannschaft“ 33 Jahre lang ihre Sitzungen im Haus Kramgasse 6 abgehalten haben.

Romanische Keller

Der älteste Teil des Hauses sind die Keller, die größtenteils wie viele Regensburger Hauskeller aus dem 12./13. Jahrhundert stammen. Zwei Räume werden von Tonnengewölben in Nord-Südrichtung überspannt. Der Westkeller besitzt noch den barocken Bodenbelag aus Solnhofener Kalksteinplatten. An der Nordwand befindet sich eine Lichtnische, die einer dort aufgestellten brennenden Kerze Windstille im sonst leicht zugigen Keller garantiert.
Im Ostkeller ist eine romanische Treppenkammer vorhanden. Früher konnte man hier über eine Außentreppe direkt von der Gasse aus die kühlen Kellerräume beschicken. Wein läßt sich sehr gut lagern. Daß hier große Fässer mit einem Durchmesser bis zu 141 cm (= 4 1/2 Fuß) im Mittelalter Platz finden konnten, zeigen die segmentbogenförmigen Ausbrüche an den seitlichen Hausteingewänden des Treppenkammer-Portales. Ein Rechnungsbuch im Archiv des Regensburger Katharienspitals von 1371 bestätigt, dass in Regensburg für Wein aus Südtirol und dem Elsass verhältnismäßig viel Geld bezahlt worden ist.

Das Erdgeschoß – Landenvergrößerungen Ende 19. Jh.

Die Räumlichkeiten unseres Geschäftes im Erdgeschoß wurden durch wiederholte Ladenvergrößerungen stark verändert. Die barocke Treppe war Ende des 19. Jahrhunderts einer Ladenverlängerung im Wege. Die Treppenanlage wurde im EG entfernt und durch eine einfachen Treppenlauf an der Ostwand ersetzt.

Im 1. Obergeschoß bunte Räume um 1880/1900 -- aurorafarben und Spitzenbordüre

Die Räume im 1. Obergeschoß zeigen sich heute im Zustand um 1880 bis 1900. Die farbigen Raumfassungen und Dekorationsmalereien konnten nach Befunden rekonstruiert werden. Die Befundstellen sind sichtbar erhalten. Für den Betrachter bleibt somit vergleichbar, inwieweit die authentischen Farbnuancen bei der Rekonstruktion gelungen sind. Der engagierte Dekorationsmaler Andreas Richter - in 6. Generation in diesem Metier tätig - und seine Mitarbeiter haben sich sehr viel Mühe gegeben, die alten Farbakkorde mit den traditionellen Materialien, mit Sumpfkalk und natürlichen Pigmenten, zum Leuchten zu bringen. Die letzte historische Raumfassung, die mit Kalkfarben ausgeführt worden war, wurde in beiden Räumen an der Kramgasse wiederhergestellt.

Der östliche Raum besitzt eine Grünfassung mit altrosa Bordüre mit schwarzem Blattdekor in Form von gegenständigen Eichenblättern, ausgeführt als Schablonenmalerei. Die Fensterlaibungen sind in einem kräftigen Gelb gefasst, das zusammen mit dem eindringenden Licht dem Raum eine aurorafarbene Wärme verleiht.

Ein schmaler Wandschrank aus der Erbauungszeit um 1740 läßt vermuten, dass sich hier einst das Contor des Herrn Schkler befand. Der Erhalt der alten Aufputz-Elektrifizierung mit dem Bakelit-Drehschalter um 1930, der noch heute das Licht an- und ausdrehen lässt, ist uns wichtig.

Das hier im Raum stehende elegante Zylinderbüro könnte ein Regensburger Diplomatenmöbel gewesen sein.

Über das Wohnen bürgerlicher Kaufleute in Regensburg wissen wir wenig. Es ist durchaus vorstellbar, daß nach französischer Gepflogenheit auch bürgerliche Eheleute getrennte Appartements bewohnten. Der Hausherr würde hier im 1. Obergeschoß sein Contor/Vorzimmer und das Schlafzimmer gehabt haben; die Hausfrau entsprechend darüber im 2. Obergeschoß ein Vorzimmer und das Schlafzimmer.

Die Rekonstruktion der authentischen Farbigkeit des westlichen Raumes im 1. Obergeschoss war aufwändiger. Grüne und rosafarbene Bahnen gliedern abwechselnd die Wände. In den Bahnen verläuft mittig eine weiße Spitzenborte, die als Schablonenmalerei aufgetragen ist. Ockerfarbene Blattspitzen verlaufen entlang der Bahnnähte. Sie sind hellockrig von Hand gehöht. Die barocke Voute ist mit horizontalen Linierungen schattiert. Darunter verläuft eine hellgelbe Frieszone. Der Raum hatte wohl schon im 18. Jahrhundert die Funktion eines Schlafzimmers, da der Raum nicht zu beheizen war.

Der bedeutende frühe Kirschbaum-Biedermeiersekretär (im Bild rechts) wird eigens vorgestellt.

An einer Partie hat sich unversehrt eine ältere sehr aufwändige dekorative Blumenmalerei erhalten. Die Blüten sind im Stil „Pompadour“ gehalten, einem Stoffmuster, das im Zweiten Rokoko seit 1835 wieder modisch geworden ist. Die berühmte Mätresse des französischen Königs Louis XV. trug exklusive Kleider aus bedruckten und/oder bemaltem indischen Stoff, indienne. Die Einfuhr dieser teueren Luxusware war seit Colberts Nachfolger offiziell verboten.


Eine im 18. Jahrhundert offene Galerie führte zum "Privet" (rechts in der Grundrisszeichnung zu sehen) mit der darunter im Hof liegenden Fäkaliengrube. Der rote Punkt markiert die Fundstelle der unten beschriebenen Fehlbodenfunde.

"Privet" - Hygiene in Regensburg

„Privet“ nannten die vornehmen Regensburger das Klo im 18. Jahrhundert. Die Fäkalien plumpsten in die „ Privetgrube“. Diese befindet sich im Südwesteck des Hinterhofes, der „Hofstatt“. Sie besteht aus einem ausgemauerten und innen glatt mit Kalkmörtel verputzten Schacht in der Größe von 1,20 mal 3 Metern. Um 1905 wurde der Schacht mit Schutt aufgefüllt.
Im 1. und 2. Obergeschoß führte im Hof eine Holzlaube in das Südwesteck. Dort befand sich dann der „Sitz“. Im 2. Obergeschoß fanden sich im Fehlboden anlässlich der Auswechslung eines Holzbalkens verschiedene Objekte. Sie fielen durch die Schlitze der Dielenbretter: Ein Zinnsoldat, zwei Murmeln aus Marmor, ein großer Knopf aus Kupferblech und ein aus Lindenholz geschnitztes Köpfchen. Gotthard Montgelas hat die Fundsituation in einer Bauaufnahme zeichnerisch dokumentiert. Der Zinnsoldat stammt aus Nürnberg. Der auf einem Pferd sitzende Soldat besitzt die „Nürnberger Größe“ von 33mm. Im 19. Jahrhundert hatten sich die beiden führenden Nürnberger Zinnfigurenhersteller Heinrichsen und Allgeyer auf diese Standardgröße geeinigt. Schon Ludwig XIV. spielte mit Soldaten aus Nürnberg, die allerdings aus Silber gefertigt waren. Das Holzköpfchen mit Fassungsresten zeigt einen Mann mit Schnauzbart, der mit einem Holzdübel auf einem Körper aufgesteckt werden konnte. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich um den Kopf einer Krippenfigur, die als Spielzeug diente.

Baden und Waschen im 18. Jahrhundert

Meist ging man wohl in Badeanstalten. Dennoch zeigen Spuren, daß auch im Hause gebadet werden konnte. Ein im 1. OG an den Privetgang angebauter Raum diente wohl bereits im 18. Jh. als Baderaum. Hier wurde der Holzzuber, ausgeschlagen mit Leinen aufgestellt. Über eine Öffnung im Boden konnte das Wasser hinaufgezogen und das Badewasser direkt in die Fäkaliengrube entsorgt werden.
Der langgestreckte Erdgeschoßraum mit der Türe zum Hinterhöfchen, besitzt im Boden den Rest einer Kalksteinrinne, durch die das im Hof bei heftigem Regen überschüssige Regenwasser, aber auch das beim Wäschewaschen nicht mehr gebrauchte Abwasser direkt in die Kramgasse abfließen konnte.

Barockes Treppenhaus mit Oberlicht – Keulenbaluster und Weintrauben

Ab dem 1. Obergeschoß ist die Holztreppenanlage bis zum Dachgeschoß durchgehend erhalten geblieben. Die 1,50 Meter breiten Treppenläufe sind frei aufgehängt und verlaufen im Abstand eines halben Meters entlang der Ostwand. Nach Westen schließt sich ein Lichtschacht mit Umgang an. Hier befindet sich im 2. und 3. OG je ein originales Geländer mit Brettbalustern.
Wer im Regensburg des 18. Jahrhunderts die hölzernen Treppen gefertigt hat, Zimmerer oder Schreiner, müsste untersucht werden. Für die Stadt Bremen im 19. Jahrhundert sind jahrelange Prozesse zwischen Zimmerleuten und Schreinern belegt, in denen es darum ging, „in wessen Arbeitsgebiet die Anfertigung einer hölzernen Treppe gehöre“.
Der Lichtschacht erhellt von oben durch das Dach das Treppenhaus. Einst ging der Schacht bis in das Erdgeschoß hinab, wo er wie die Treppe auch der Ladenverlängerung Platz machen mußte. Je höher man steigt, desto heller wird das Treppenhaus. Geländer mit Brettbalustern sind um die Lichtöffnungen geführt.
Die Treppenläufe werden von gedrechselten Keulenbaluster - sicher Arbeiten von Drechslermeistern - zu beiden Seiten gerahmt. Das teilweise spärlich einfallenden Licht modelliert sie plastisch. An den Eckpunkten sitzen dickere Baluster, auf denen gerippte Kugeln schräg in Balance gehalten werden. Von oben herabhängend zieren geschnitzte Weintrauben die Holztreppe.
Die Treppenanlage besteht mit Ausnahme der Stufen aus Fichtenholz. Die Erstfassung zeigte die Geländer in einem grünlichen Umbra. Der Ton sollte wohl den Charakter von Grünsandstein vermitteln. Die Trittbretter der Stufen bestehen aus dicken Eichenbohlen, deren Vorderkante in Form eines Karnies profiliert war.

Die Wohnung der Hausherrin und die Küche im 2. Obergeschoß

Das zweite Obergeschoß mit der Küche war wohl die Wohnung der Hausherrin. Im Südraum des 2. OG befand sich die Küche mit dem Rauchfang für den Herd. Hier endet der dazu notwendige große Kamin der Erbauungszeit. Das Appartement der Hausherrin lag wohl hier in den Räumen an der Kramgasse. Das große Vorzimmer der Hausfrau diente wohl gleichzeitig auch als Speisezimmer für die Familie. Es hat drei Fenster zur Kramgasse, das anschließende, im 18. Jh. nicht beheizbare Schlafzimmer zwei Fenster. Während zum Vorzimmer und Contor des Hausherren im Geschoß darunter eine einfache Barocktüre den Zugang gewährt, ist es hier eine zweiflügelige Barocktüre. Sie ermöglichte den Damen um 1750 auch mit ihrem „gutem Gewand“, den weiten Röcken, leicht passieren zu können.

Der Festraum im 3. Obergeschoß

Wie schon erwähnt plante der Bauherr des Barockhauses von Anfang an einen repräsentativen Raum für die Zusammenkunft der Krammerinnung. Im 3. Obergeschoß befanden sich diese Gesellschaftsräume. Vier Türen führen vom Treppenhaus aus zu den Räumen. Die drei unterschiedlich großen, einflügeligen Türen ordnen sich einer großen zweiflügeligen Tür unter. Sie verheißt in ihrer Größe sogleich den Zugang zum Hauptraum des piano nobiles, dem Festsaal der Familie Schkler.

Hier sind die Türrahmen stärker plastisch profiliert als in den unteren Geschossen. Ein kräftiger Wulst mit rückseitiger Unterschneidung an der Außenkante, eine Hohlkehle, ein Plättchen und ein zu den Türblättern abschließender Karniesstab bilden das Profil des Türrahmens. Anders beschrieben handelt es sich um einen duch ein Plättchen unterbrochenen großen Karnies. Profile in einer sehr verwandten Abfolge mit straker Plastizität und mit Unterschneidungen - wohl abgeleitet vom griechischen Kyma - benutzte um 1700 Fischer von Erlach zum Beispiel an Portalrahmen von Bauten in Salzburg.
In der Verwendung verschiedener Profiltypen bei den Türrahmen je Geschoß spiegelt sich wohl eine Art "ordo" wieder, eine unterschiedliche Wertigkeit der Räume. Je stärker die Plastikzität wird, umso höherrangiger das Geschloß. Im 3. Obergerschoß ist die stärkste Plastizität erreicht, die mit der besten handwerklichen Qualität der Ausführung einhergeht. Dieser Unterschied in der handwerklichen Ausführung ist wohl auch dadurch zu erklären, daß je Geschoß eine andere Schreinerwerkstatt arbeiten durfte; demnach im vornehmsten dritten Obergeschoß die renomierteste Werkstatt. Ein von der Zunft arrangiertes Schreinerkonsortium muß tätig gewesen sein. Nur so konnten die Schreinerwerkstätten, denen die Zunftvorschriften die Anzahl der Gesellen vorschrieb, einen schnellen Baufortgang gewährleisten.

Der Festsaal liegt mit drei Fensterachsen an der Kramgasse. Er wird verhältnismäßig hell mit Nordlicht beleuchtet. Die Originalfenster, die auf dem Dachboden gefunden und wiedereingebaut worden sind, garantieren die originale Belichtung. Bei Abendgesellschaft mußten viele Kerzen an Wandblakern und auf Kerzenleuchtern entzündet werden und dennoch wurde nie die Helligkeit nur annähernd erreicht, die wir heute vom elektrischen Licht gewohnt sind.

Einen zentralen Kronleuchter von der Decke herabhängend gab es im Schklerschen Festsaal nachweislich nicht. Denn im Zentrum des Stuckplafonds befand sich das Firmenlogo - Hauszeichen - der Firma Schkler mit dem ligierten Monogramm des Hausherren.

Aus der Bauzeit des Hauses stammen die Dekorationsmalereien in den Fensterleibungen. Felder mit rötlich gelber Marmorimitation werden von orangem - rötlich ockrigem - Bandlwerk gerahmt. Streifen seitlich der Westtüre zeigen höherrangige, illusionistische Malereien. Voluten mit einer Muschel spielen Tiefenräumlichkeit vor. Neben den Malereien zeigen die Wände Spuren von Nagellöchern und charakteristische Verschmutzungen, die erkennen lassen, daß die Wandflächen mit Textilien bespannt - "spaliert" - waren. Stoffbahnen mit einer Breite von 85cm - 2 3/4 Fuß oder 33 Zoll - waren an den Wandputz genagelt. Diese Breite entspricht der vorindustriellen Webstuhlbreite für Wolle. Seidenstoffe konnten nur in einer Breite von etwa 51/53 cm gewebt werden. Der Befund eines Wandbeschlages in einem Regensburger Bürgerhaus ist bisher einmalig.

Die originalen Weichholztüren mit damals modernen Fitschenangeln und die Eichenfenster waren im Grundton in einem grünlichen Umbra in Öl gefaßt. Damals hat man wohl auch die Zunfttruhe der Krammerinnung in dem grünlichen Umbra mitgefaßt. Die Zunftruhe der Kramerinnung (Inv.Nr. KN 1995/18) befindet sich im Historischen Museum. Sie ist 1491 datiert und in demselben Grün gefasst wie die Erstfassung der originalen Barocktüren des Festsaales. Diese mittelalterliche Zunfttruhe muß damals zum Inventar des Festsaales gehört haben.

Die Musik des Holzes - barocke Dielenbretterböden

Sechs Meter lange und etwa 45 cm breite Dielenbretter aus Fichtenholz sind auf die Balken mit Eisennägeln genagelt. Zwei Nägel heften das Brett im Randbereich auf den darunterliegenden Balken. Die Reihe der Nägel zeigt den Verlauf der Balken. Die blanckgeriebenen Köpfe der Eisennägel blitzen auf. Gerard Terborch hat 1655 in seinem Dresdner Bild der Dame bei der Handwaschung die paarweise je Dielenbrett angeordneten Nagelköpfe in einer Reihe genau wiedergegeben. Nur Tafelparkett wurde verdeckt genagelt, das aber für ein Regensburger Bürgerhaus zu anspruchsvoll war. Ein Salon der Fürstäbtissin von Obermünster besaß nachweislich Tafelparkett aus Nußbaumholz.

Die Dielenbretter werden mit Leinöl geölt. Das Knarzen der Dielenbretterböden gehört auch zu einem alten Haus - die Musik des Holzes.

Die kostbaren barocken Putze in Regensburg - feine Abfasungen und abgestufte Stuckplafonds

Daß bei einem alten Haus die Qualität im Detail steckt, zeigen die präzisen Abfasungen mit Kerben an den Ausläufen bei den Kanten der gescrägten Fensterlaibungen. Dies ist eine typische Raffinesse Regensburger barocker Maurerkunst, die zum Beispiel ebenso im Kapitelsaal des Regensburger Domkapitelhauses anzutreffen ist.
Das Licht läßt an den Stuckplafonds die Kanten der geschwungenen Linien aufleuchten. Das Nordlicht trifft auf glatte Flächen, die in Schichten auf dem Plafond aufgebaut sind. Die Abstufungen zwischen den Schichten sind in Kurven mit Abknickungen im Sinne des Bandlwerkes gezeichnet.

Die Dachlandschaft in der historischen Altstadt - Ziegeldach

In den vier Räumen im Dachgeschoß wohnten neben den beiden Kindern der Familie die Diener und Mägde, die im Unternehmen beschäftigt waren und das Haus versorgten. Dazu gehörte auch die Kontrolle der Dächer. Die beschädigten Dachziegeln wurden immer ergänzt. So entstand die heutige fleckige Dachlandschaft. Die Totalerneuerung der Dachdeckung - das "Legohausdach" - ist eine Erscheinung unserer Sanierungen, welche die Regensburger Dachlandschaft ihres malerischen Charmes berauben. Treffend hat die Schriftstellerin Eva Demski den Sachverhalt formuliert:

"... Ich frage mich, ob unsere Bausünden eines Tages auch so schön aussehen werden, wenn sie denn nur alt genug geworden sind? Ich glaube es nicht. Denn wo eine Firma damit wirbt, daß alle ihre Dachziegel die gleiche Farbe haben und auch behalten werden, ist vom Altern nicht viel Schönes zu erwarten." (Eva Demski, Abschied von einem alten Haus, in: Hubert ETTL und Gerd BURGER, Regensburg, Reise-Lesebuch, Viechtach 2006, S. 162.)

Die Dachlandschaft Regensburg, die einmalig in Deutschland ist, ist schutzbedürftiger denn je. So sind nach den Vorstellungen des Bauordnungsamtes Regensburg zum Beispiel mehrere Meter hohe Aufbauten und Markisen auf Dachterrassen im Welterbe genehmigungsfrei (Art. 57 Abs. 1 Nr. 14e Bayerische Bauordnung sic!). Wir Denkmalpfleger sind da anderer Meinung.
So verhindern vom Nachbar P.I. rücksichtslos aufgestellte Holzwände, die 30 cm von großen Teilen der Westfassade und Südfassade fest aufgebaut worden sind, die Kontrolle und Pflege, welche die Charta von Venedig kodifiziert hat. Wenn Regenwasser eindringt und die darunter liegende Stuckdecke durchnässt, ist es zu spät.

Künstler spüren den Verlust malerischer Oberflächen sofort. Sie wären die besten Denkmalpfleger In der Mittelbayerischen Zeitung vom 24./25. August 1996 war in einem Artikel von Katrin Nikolaus über "Sommerleben auf den geheimen Hochsitzen der Stadt" zu lesen:
"Regensburg ist zu 70 Prozent häßlich, wie jede andere Stadt auch", urteilt Künstler Alexander Rogl. Und selbst die Dachlandschaft kann ihn nicht mehr versöhnen, seit immer mehr Häuser in der Altstadt saniert wurden. "Alles unglaublich steril, kein Vergleich mit den Dächern in Rom". Einheitlich rot und unbefleckt strahlen die Dachziegel jetzt. Rogl vermißt nicht nur den morbiden Charme des Verfalls und der Improvisation, sondern auch die Fledermäuse, die mit der Sanierung aus dem alten Gebälk vertrieben wurden.

Hinzuzufügen ist der kulturelle Verlust. Die alten Dachböden waren ein Hort des Aufbewahrens. Sie werden nun ausgebaut zu Wohnungen. Die einstigen großen Stauräume unter den Dächern bewahrten jene Dinge des Lebens, Wohnens und Spielens, die nicht mehr gebraucht wurden oder unmodern geworden waren. Vieles, was heute im Museum unter Glas steht, hatte in einem Art Zwischenleben auf den Dachböden überlebt. Spätere Generationen durften die Dinge der Großmütter und Großväter wiederentdecken. Wo werden die Dinge der Wegwerfgesellschaft heute gesammelt? Die Wohnungen sind viel zu klein dazu. Das Rentabilitätsdenken läßt die Dachböden als Hort des kulturellen Verwahrens sterben.

Mahnung an die Bürger Regensburgs:

„ WER DENKMÄLER BESEITIGT
LÖSCHT ERINNERUNG AUS

Während Kirchen und Schlösser als Baudenkmäler anerkannt sind, wird die dem Bürgertum urtümliche Architektur der Bürgerhäuser, Ladenausstattungen, Cafes und Villen rücksichtslos zerstört: " Wir haben ohnehin eine einseitige Tradition in der Bewertung unseres architektonischen Erbes - so viele historische Kirchen, Paläste und Landsitze finden Beachtung, aber nur eine winzige Zahl von Läden, Bürohäusern, Restaurants und Cafes. Man möchte meinen, wir stammen alle von Priestern und Patriziern ab und nicht von ganz normalen Menschen, die einkaufen und zur Arbeit gehen, gern im Restaurant speisen und sich zu einem Glas in der Kneipe treffen." (Friedman, Joe: Interieurs in Paris.München 1990, S.8). Was hier für die Interieurs in Paris formuliert worden ist, gilt auch für Regensburg.

Nach 1945 wurden in Regensburg durch die Genehmigungen von Neubauten mehr historische Bausubstanz zerstört, als durch die Bomben des Zweiten Weltkrieges. Dennoch ist das Stadtbild Regensburgs nördlich der Alpen einzigartig. Regensburg ist die einzige erhaltene mittelalterliche "Großstadt" Deutschlands, eine Feststellung, die der bayerische Generalkonservator - und bedeutende Möbelforscher - Heinrich Kreisel im November 1958 ausgesprochen hat.

Es sei zuletzt an die Bürger dieser Stadt appelliert, ihre Stadt zu pflegen und nicht tot zu sanieren: Der Salzburger Kunsthistoriker Hans Sedlmayr (1896-1984) sah den größten Feind der Schönheit Salzburgs in der Geldgier seiner eigenen Bürger. Er zitierte deshalb den Griechen Solon, der um das Wohl der Stadt Athen besorgt die Athener so gewarnt hat:

"Unsere Stadt wird nicht durch die Schickung des Zeus,
und nach dem Ratschluß der seligen Götter zugrunde gehen,
denn Pallas Athene, ihre hochgemute Hüterin, hat ihre Hände
über sie ausgebreitet, sondern die Bürger selbst wollen
in ihrer Geldgier aus Unverstand die Stadt ruinieren."

Für Menschen, die sich an historischen Oberflächen erfreuen können, ist Regensburg eine einzigartige Erlebniswelt, die sorgfältig bewahrt werden muß. Schützen kann man nur, was man kennt. Wie der Umgang mit dem Erbe der Stadtarchitektur den Bürgern gelingt - die Beachtung der Denkmalschutzbestimmungen und der Altstadtschutzsatzung umgesetzt wird -, wird entscheiden, ob Regensburg ein Stück Weltkultur verkörpert. Kultur heißt auch Verzicht auf die übermäßige Nutzung von Baudenkmälern, die leider im verstärkten Maße zur Zeit durch profitable Zerstückelung durch Eigentumswohnungen zu "Geldmachmaschinen" mißbraucht werden.

Zu Schklers Zeiten war Regensburg als Sitz des Immerwährenden Reichstages mit seinen Gesandten das Brüssel des Heiligen Römischen Reiches. Dem Dornröschenschlaf nach 1806 verdanken wir das weitgehend erhaltene Stadtbild.

VIVAT  RATISBONA.

Seit dem 13. Juli 2006 gehört unser Haus zum Welterbe der UNESCO.
984 Denkmäler zählt das Ensemble Altstadt Regensburg mit Stadtamhof.
Nicht weil Regensburg eine römische Gründung ist - dies sind viele Städte in Europa - und auch nicht wegen seiner Kathedrale - Kathedralen gibt es in Frankreich sehr viele -, sondern in den erhaltenen Kaufmannshäuser liegt Regensburgs Einzigartigkeit, die zur Ernennung zum Welterbe führte.
"It is important to underline a fundamental principle of UNESCO, to the effect that the cultural heritage of each is the cultural heritage of all."
(The Nara Document on Authenticity, 8.)

CHARTA VON VENEDIG

Die KONSERVIERUNG und RESTAURIERUNG des Hauses wurde 2012 erfreulicher Weise erstmals auch vom bayerischen Landesamt für Denkmalpflege und vom Bezirk finanziell gefördert.
Im Zentrum unserer Sanierungsmaßnahmen steht die Absicht, die Geschichte des Hauses durch die Bewahrung der authentischen Oberflächen erlebbar zu bewahren. Richtungsweisend für die Konservierung und Restaurierung ist die "Charta von Venedig über die Konservierung und Restaurierung von Denkmälern und Ensembles". "Das 1964 verabschiedete Dokument bildet die einzig verbindliche Grundlage für den Umgang mit historischer Bausubstanz auf internationaler Ebene und ist auch in der Einzelaussage noch aktuell." Sie können den verhätnismäßig kurzen Text im Internet schnell finden. Die Charta von Venedig ist sozusagen das Grundgesetz für den Umgang mit dem UNESCO-Welterbe Regensburg
Die vornehmste Aufgabe denkmalpflegerischen Handelns ist das Pflegen und das Bewahren. Das Erhalten von Grundrissen und Baudekorationen steht deshalb an erster Stelle der Charta von Venedig:
"Art. 5. Die Erhaltung von Denkmälern wird immer durch Widmung einer der Gesellschaft nützlichen Form begünstigt. Eine derartige Widmung ist daher wünschenswert, aber sie kann nicht zur Veränderung der Disposition oder der Dekoration von Bauwerken führen."

Der Regensburger Dom bei Abendlicht von der "Hochaltane" - ital. altana - aus gesehen.

Literatur:
Karl Heinz BETZ und Richard STROBEL: Baualtersplan zur Stadtsanierung III, Lit.E Wahlenwacht. München 1980.
Birgit ANGERER: „Wir können der Kaufleute nimmer entbehren...“: Menschen, Märkte, Mittelpunkte. Industrie- und Handelskammer Regensburg (Hg.), Regensburg 1993.
DENKMÄLER IN BAYERN, Bd. III, 37 Stadt Regensburg, Regensburg 1997, S. 342.