Dr. phil. Wolfgang Baumann M.A.


KUNSTHISTORISCHES AUS REGENSBURG

 

Kurerzkanzler Dalberg und das frühe Empire in Süddeutschland 

Diese Postkarte entstand in "eigenen Ateliers" im Haus Kramgasse 6. "Regensburg bewundert Dalberg"

Die Fotografin Juliane Zitzlsperger hat das Bild arrangiert. Zwei Regensburgerinnen in Empirekostümen bewundern den Landesherren. Dalberg hätte das sicher so gefallen.

Die Postkarte ist im Geschäft zu erwerben.


Vortrag, gehalten am 7. Februar 2003 im Ballsaal des Goldenen Kreuzes anlässlich eines Abends zu Ehren des Theatererbauers, veranstaltet von den Theaterfreunden Regensburg

Das Staatsporträt von Carl Theodor von Dalberg
Für seine Residenzstadt Regensburg
1802/03

Marmorrelief und feuervergoldete Bronze

Das ovale Relief aus makellosem weißen Marmor zeigt das Brustbildnis des Kurerzkanzlers Carl Theodor von Dalberg (1744 – 1817 Regensburg). Von uns Betrachtern aus gesehen blickt Dalberg nach links. Im Profil sehen wir die Gesichtszüge eines fast 60jährigen Mannes. Die schlaffe Haut ist vom Alter gekennzeichnet. Das Doppelkinn wird schonungslos wiedergegeben. Die Nase wirkt sympathisch natürlich, keine Spur von Idealisierung. Dennoch zeigt das Bildnis die Würde eines Reichsfürsten. Der Blick ist dafür verantwortlich. Dalberg blickt nicht uns an. Zielgerichtet blickt Dalberg ruhig, ernst und gelassen nach links. Ein Landesvater, unter dem sich die Untertanen sicher fühlen sollen.

Diese Wirkung erwartete der Auftraggeber von seinem Staatsporträt, kein geschöntes Bildnis mit jugendlicher Schönheit, nein das sympathisch natürliche Bildnis eines alten Kirchenfürsten als Landesvater.

Ordentlich sind die Locken der Perücke gelegt – längst unmodern ein Relikt, das aber die gesellschaftliche Stellung verlangt, eine Staatsperücke. Der Oberkörper ist leicht zum Betrachter gedreht, die linke Schulter ist zurückgenommen. Dalberg trägt einen Umhang aus Hermelinfell. Diese Tiere aus Sibirien oder Russland besitzen im Winter einen weißen Pelz. Die Schwanzspitze ist schwarz. Mit schwarzen Schwanzspitzen ist der Umhang besetzt, der Kurmantel.

Über dem Hermelin trägt Dalberg einen Kragen, der zur Tracht eines Geistlichen gehört, das Beffchen. Es besteht aus zwei rechteckigen Stoffbahnen, die vorne unter dem Hals herabhängen. – ein Relikt aus der spanischen Mode des 17. Jahrhunderts.

An einem Seidentaftband – die Marmoroberfläche ist hier sorgfältig glatt poliert – hängt das Brustkreuz des Bischofs, das Pektorale. Es ist mit ungewöhnlich großen rautenförmigen und quadratischen Steinen besetzt. Den oberen Abschluß der Bischofsinsignie bildet der Kurhut. Dieser ist das ranghöchste Herrschaftszeichen, das uns das Porträt bildparallel und somit unverzerrt deutlich vorführt.

Seit dem 25. Juli 1802 war der 58-jährige Dalberg als Kurfürst von Mainz Kurerzkanzler des Heiligen. Röm. Reiches. Dalberg war damit die ranghöchste Persönlichkeit des Alten Reiches nach dem Kaiser.

Dieser höchsten gesellschaftlichen Stellung musste das Staatsporträt gerecht werden; in der Auswahl der Materialien und der künstlerischen Qualität.

Zu den Materialien:

Der Marmor aus Italien war kostbar. Viel teurer als der Marmor samt dem Bildhauerhonorar war wohl die Anfertigung des Bronzerahmens.

In vier einzelnen Segmenten wurde der Rahmen in Bronze in einer Giesserei gegossen. Die Teile wurden von einem Gürtler oder Goldschmied bearbeitet, zu einem Oval zusammengesetzt, ziseliert und poliert. Schließlich durfte ein Goldschmied das große Stück feuervergolden, eine sehr teure Oberflächenbehandlung. Schließlich wurde das Stück nochmals poliert.

Der für das schwere Marmorrelief schmale Rahmen wirkt schlicht. Hochglanz polierte Flachleisten rahmen ein vertieftes Band. Darin verläuft ein Ornamentfries, bestehend aus zarten Akanthusblättern in einem wohlgeordneten Rapport auf einem glatten Grund.

Die Ornamentreihe ist alternierend aufgebaut. Zwei Herzförmig zueinandergedrehte Akanthusblätter wechseln mit palmettenförmig auseinanderschauenden Akanthusblättern ab.

Das zarte Ornament wurde nicht zusammen mit den Rahmenteilen gegossen, sondern separat sorgfältig ausgearbeitet und mit Stiften und Muttern an der Rahmenrückseite verschraubt. Diese Applikentechnik(1) war in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts in Paris perfektioniert worden.

Oben bekrönt ein Würfel das Oval, der von einem Löwenkopfmaskaron besetzt wird. Durch den Würfel verläuft der Bronzering, der die Aufhängung des schweren Porträts ermöglicht.

Denselben Bronzerahmen mit Löwenkopf besetzter Ringhaltung besitzt ein fast identisches Porträtrelief Dalbergs aus Marmor im Mainzer Landesmuseum (Inv.Nr.: 37/59). Dieses Relief kam durch Tausch aus dem Besitz eines Grafen von der Leyen 1937 in das Mainzer Landesmuseum. Der Vorfahre Damian Friedrich von der Leyen war unter Dalberg Dompropst in Mainz bzw. in Aschaffenburg gewesen. Die Forschung schrieb das nicht signierte Mainzer Relief dem Porträtbildhauer Landolin Ohmacht (1760 Dunningen bei Rottweil–1834 Straßburg) oder dem Mainzer Hofbildhauer Johann Peter Melchior zu:

Mit großer Wahrscheinlichkeit beauftragte Dalberg den ehemaligen Mainzer Hofbildhauer Johann Peter Melchior mit der Ausführung zweier Staatsporträts, eines für Aschaffenburg und ein zweites für Regensburg. Melchior war 1802/03 Modellmeister an der kurfürstlichen Porzellanmanufaktur Nymphenburg in München. Dalberg schätzte an Melchior, dass der Bildhauer in der Lage war, eine würdevolle Gesamterscheinung ohne Idealisierung zu erzielen.

Das Regensburger Staatsporträt konnte ich über teure Umwege aus Schweizer Privatbesitz erwerben. Das Relief befand sich noch im Besitz derselben Familie, der es Dalberg einst anvertraut hatte.

Aufschlussreich ist die Betrachtung der Rückseite des Marmorreliefs: Ein großes Inventaretikett zeigt ein Wappen: einen Turm. Dieser Turm auf einem schlichten Wappenschild ist zu Füßen eines Mannes auf einer Grabplatte im Regensburger Dom wieder zu finden. Im südlichen Seitenschiff an der Südmauer liegt seit 1825 diese Grabplatte über den Gebeinen von Dalbergs Regensburger Dompropst und Präsidenten Benedikt Joseph Wilhelm Reichsgraf von Thurn-Valsassina. Dieser Reichsgraf war für Dalberg als fürstprimatischer Minister und hoher Diplomat tätig. Graf Thurn war der „Präsident“ des Landesdirektoriums des „souveränen Fürstentums Regensburg“.

Diesem getreuen Regensburger Dompropst Graf Thurn Valsassina vertraute Dalberg sein Regensburger Staatsporträt wohl 1810 an; ebenso wie er sein Aschaffenburger Staatsporträt dem dortigen Dompropst übereignet hat.

Der Dompropst vererbte das Staatsporträt seinem Neffen, nicht dem Regensburger Bischofsstuhl, wohlweislich, weil Dalbergs Ansehen im Domkapitel nach Napoleons Ende nicht sehr groß war (und noch heute nicht sehr groß ist).

Betrachten wir nochmals den schmalen Bronzerahmen des Staatsporträts:

Das schlichte dünn entworfene Akanthus-Ornament erinnert an griechische Vasenmalerei und hat hier Ihre Vorbilder: Man hielt die in Italien im 18. Jahrhundert gefundenen Vasen für „etruskische Kunstwerke“.

Das Löwenkopfmaskaron auf einem glatten Würfel apliziert wirkte antikisierend. Der Rahmen war 1802/03 hochmodern im antikisierenden Stil entworfen worden. Dalbergs Bronzerahmen für sein Marmorbildnis zählt zu den frühesten Beispielen des Empirestils in Deutschland.

Die Regensburger hatten einen solch schlichten Rahmen noch nie gesehen. Ihre Porträts waren von Rahmen im Zopfstil – dem Stil Louisseize – umgeben.

Paßt solch ein avantgardistischer Empire-Rahmen zu einem so honorigen Kirchenfürsten und seinem traditionsreichen Amt eines Kurerzkanzlers. ? Die Staatsperücke aus dem Barock, das Beffchen aus der Spanischen Mode des 17. Jahrhunderts, der Hermelin, seit Jahrhunderten Staatstracht der Kurfürsten.

Der Rahmen orientiert sich an der Kunstszene in Paris:

Der französische Starmaler Jacques Louis David ließ antikes Mobiliar für sein Atelier nachbauen.(2) Griechische Stühle – auf giechischen Vasen abgebildet überliefert – waren für ihn vorbildlich. Der nicht unbedeutende Pariser Ebenist Georges Jacob baute diese Möbel aus exquisiten teuren Hölzern mit wertvollen vergoldeten Bronzeornamenten und Intarsien im antiken Stil. Diese ersten Empiremöbel in Paris waren nicht für die Benutzung im herkömmlichen Sinn bestimmt. Sie dienten dem Maler als Modelle für die Entwicklung der Komposition seiner Historienbilder aus der antiken Geschichte.

Aus diesen Atelier-Modellmöbeln, die durch die populären Gemälde von David bekannt geworden waren, entstand in Pariser avantgardistischen Kreisen ein neuer Einrichtungsstil. Der Pariser Bankier Jacques Rose Recamier richtet sich im Empirestil ein. Seine Frau ließ sich auf einer antikisierend gestalteten Liege gefertigt von dem Ebenisten Jacob von David porträtieren. Das war im Jahre 1800. Das Bildnis der Madame Recamier sollte weltberühmt werden und namengebend für das antikisierende Liegemöbel.

Napoleon erkannte, dass dieser Stil zur Propaganda imperialer Größe bestens geeignet war und in die Zeit passte. Der Empirestil wurde selbst von den Gegnern Napoleons bereitwillig aufgegriffen. Er ist der Repräsentationsstil im 19. Jahrhundert geworden; bis heute: „Ewiges Empire“(3)

Selbst im Rokokofestsaal des fürstlichen Schlosses St. Emmeram in Regensburg verblieben 1890 die vergoldeten Empiresitzmöbel, obwohl sie stilistisch zur Raumausstattung nicht passten. Dies war keine Sparmaßnahme des Fürsten Albert, sondern ein Zugeständnis an das Zeremoniell, das auch am Ende des 19. Jahrhunderts noch am besten durch den Empirestil dargestellt werden konnte.

Auch am Ende des 20. Jahrhundert wurde in Regensburg der Empirestil für die Ausstattung des Zuschauerraumes im Stadttheater für passender erachtet als der seit 1890 herrschende Stil des Dritten Rokoko. „Ewiges Empire“

Und der Kurerzkanzler des Heiligen Römischen Reiches, der zweitältesten Institution neben dem älteren Papsttum im alten Europa. Warum Empire ?

Auch er erkannte die Bedeutung des antikisierenden Stils. Für das Zeremoniell, das sein Amt als Kurerzkanzler verlangte, durfte Dalberg nicht sparen. Sein Staatsporträt sollte die Bedeutung des Alten Reiches wiederspiegeln. Das Zeremoniell verlangte nach dem modernsten Stil aus Paris.

Empire-Prunksessel in Regensburg um 1805

Ebenso dieser Prunk-Armlehnsessel aus Regensburg. Er ist im Umfeld Dalbergs entstanden nach einem Vorbild aus Paris. Er konnte nur von dem Landesherrn benutzt werden. Die Löwenmonopodien zeichnen das Sitzmöbel als so hochrangig im Zeremoniell aus, so dass kein anderer außer Dalberg oder ein hochrangiger Gast des Landesherrn darauf Platz nehmen durfte.

Eine Generation später entwarf Leo von Klenze ähnliche Sitzmöbel für die höchstrangigen Räume im Königsbau der Münchner Residenz für König Ludwig I. und seine Gemahlin.(4)

Der Regensburger Prunksessel mit den Löwenmonopodien und den feuervergoldeten Bronzen der Dalbergzeit zählt zu den frühesten Empiremöbeln Süddeutschlands.

Zusammenfassung

In der antikisierenden Formensprache des avantgardistischen Empirestiles war das für seine Residenzstadt Regensburg bestimmte Staatsporträt des „Kurfürsten von Regensburg“ und Kurerzkanzlers, Carl von Dalberg, um 1802/03 zusammen mit einem zweiten für Aschaffenburg bestimmten Porträt wohl von dem ehemaligen Mainzer Hofbildhauer Melchior geschaffen worden. Das vortrefflich erhaltene Relief – wohl eines der letzten Staatsporträts des Alten Reiches – ist ein überregional bedeutendes Kunstwerk des deutschen Empire und ein anspruchsvolles Monument für den letzten Kurerzkanzler und damit ranghöchsten Reichsfürsten.

Kein Bürgermeister der Stadt Regensburg, kein Bischof, kein Fürstabt, keine Fürstäbtissin, kein Thurn und Taxisfürst hinterließ in Regensburg solch ein anspruchsvolles Porträt.

Die Bedeutung dieses Dalbergporträts für die Regensburger Kunstgeschichte ist eminent.

Der „süße Dalberg“

Am Ende dieser Präsentation des Regensburger Staatsporträts möchte ich Ihnen eine kleine kulinarische Freude ankündigen. Es erwartet sie der „süße Dalberg“ – eine Spezialität der Empirezeit - französisch – ewig zeitlos wohlschmeckend.

Der Regensburger Konditormeister Johannes Pernsteiner hat Dalbergs Bildnis auf Petit fours gezaubert: ein süßer Dalberg

Dalberg hätte seine Freude daran gehabt – Guten Appetit !

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Die Maße des Reliefs: Höhe mit Ringaufhängung 76 cm (ohne Ring: 70 cm), Breite 57 cm,
Deutsches Historisches Museum Berlin

Zum Reliefporträt siehe auch folgende Seite.

Anmerkungen:
(1) Hans Ottomeyer: Odiot und die Entwurfskunst des Empire. In: 39. Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse München 1994, Messekatalog, München 1994, S. XXXVII.
(2) Henriette Stuchtey: Antike und Klassizismus: Das Mobiliar in den Gemälden von Jacques Louis David. In: Weltkunst, 64. Jg., Nr. 4.,1994, S. 452-456.
(3) Ottomeyer s.o. S. XL.
(4)Vgl. die Konsoltische mit Löwenmonopodien im Thronsaal des Königs. Pracht und Zeremoniell: Die Möbel der Residenz München. Ausstellungskatalog München 2002, S. 100 f. und 280.

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