Dr. phil. Wolfgang Baumann
ANTIQUITÄTEN UND KUNSTHANDLUNG
gegr. 1909


 

Evangelist Markus
Niederbayern, wohl Landshut,
"Donauschule" um 1510/20

Lindenholz, rückseitig tief gehöhlt, originales Inkarnat und Vergoldung,
Höhe 105,5 cm
Preis auf Anfrage

 

Der Evangelist Markus wird als gelehrter Humanist mit Barett und einem goldenen Mantel über einem Talar mit Plissierungen, die an einem glatten Schulterkragen ansetzen, dargestellt. Das ovale Gesicht mit den fülligen rosigen Wangen ist jugendlich. Die leicht herabgezogenen Mundwinkeln der schmalen Lippen verleihen dem Antlitz ein melancholisches Aussehen. Die braunen Augen und das kräftige Wangenrot gehören zur wertvollen Originalfassung, die den Gesichtsausdruck entscheidend mitprägt. Der sorgfältig strähnig gekämmte, maximilianeische Pagenkopfschnitt und das Barett zeigen die Mode um 1500. In der rechten Hand hält er das aufgeschlagene Evangelienbuch. Zu seinen Füßen sitzt der kleine Löwe, der zu seinem Herrn emporblickt und soeben unter dessen Mantelsaum hervorgekrochen zu sein scheint. Markus steht auf einem vierkantigen Architektursockel über den sein Gewandsaum herabfällt. Die Skulptur mit den für Leinberger charakteristischen "langgezogenen Oberschenkeln" (Lill) gehörte in einen architektonischen Zusammenhang und entfaltet über Augenhöhe platziert ihre beste Wirkung.

Die Y-förmige Röhrenfalte mit dem heraustretenden Körperteil des rechten Beines, das am Knie eine auffallende Staufältelung zeigt sind Charakteristika des Donaustiles im Umfeld des seit 1510 in Landshut nachweisbaren Bildhauers Hans Leinberger und des ab 1505 in Regensburg ansässigen Malers und Grafikers Albrecht Altdorfer (1488-1538). Franz Winzinger sieht in Leinberger den Gebenden, der Altdorfer im Faltenstil beeinflußt. Ob diese Gewichtung stimmig ist, dürfte schwer zu beweisen sein, da Leinbergers Frühwerk im Dunkeln liegt. Stilistisch sehr gut vergleichbar in der Organisation der Falten und der Knie-Staufalte ist die Maria mit Kind in Scheuer südöstlich von Regensburg. Diese Schreinfigur wird Hans Leinberger zugeschrieben und wird von Franz Winzinger im Zusammenhang mit einem 1515 gelieferten Flügelaltar mit Gemälden von Albrecht Altdorfer gesehen.

Der Aufsatz eines Rahmens vom 1516 in Landshut von Hans Wertinger gemalten Porträt Herzog Ludwig X. von Bayern, der in Landshut residiert hat, zeigt einen vergleichbar stilisierten Löwen.

Während die Standsockel der spätgotischen Plastiken meist als Rasenstück gestaltetet sind, ist hier die architektonisch geformte Plinthe auffallend. Eine vergleichbar gestaltete Plinthe taucht ebenso bei dem Hochrelief des sitzenden Hl. Jakobus des Älteren von Hans Leinberger - um 1525 - im Bayerischen Nationalmuseum München (Inv. Nr. 15/114 ) und bei dem Schmerzensmann vom ehemaligen Gesprenge des Pollinger Hochaltares - um 1526/27 - auf.

Die Skulptur besitzt größtenteils die Originalfassung im Inkarnatbereich und der Vergoldung. Letztere ist mit Blattgold und in den verschatteten Tiefen des Mantels mit "Zwischengold" ausgeführt, einem Blattgold das auf Silber durch "Plattieren" aufgehämmert worden ist. Das blasse Inkarnat mit dem Wangenrot, das an der linken Gesichtshälfte von Markus komplett original erhalten und an der rechten Wange retuschiert worden ist, zeigt in vergleichbarer Weise auch die ursprüngliche Inkarnatfassung der Christusfigur im Relief der Taufe im Jordan im Bodemuseum Berlin. Es wurde für die Johanneskirche von Moosburg archivalisch gesichert 1515 gefertigt. Das helle Inkarnat mit Wangenrot ist hier ebenfalls original; ein seltener Fall bei Leinbergers Skulpturen. Auch sind hier die Gewänder ganz vergoldet, was für die Fernwirkung des an der oberen Flügelinnenseite befindlichen Reliefs optimal war. Dieses Relief ist mit dem vergoldeten Monogramm "HL" signiert und damit ein gesichertes, wohl eigenhändiges Werk von Hanns Leinberger.

Restaurierung: Die Fassung wurde gereinigt und retuschiert. Die Retuschen sind in Trattegio-Technik sichtbar gemacht. Der Vorgang ist fotografisch dokumentiert.

Die Bedeutung des Hochreliefs, das vorsichtig formuliert Hans Leinberger sehr nahe steht, liegt in seiner authentisch überlieferten Fassung, deren Wert in der Entstehungszeit oft ein Vielfaches des Bildhauerpreises ausmachte. So erhielt 1521 "Hanns Leinwerger pildschnitzer zw Landshuet" 6 Gulden für das "pild S. Leonhard", das der Rat der Stadt Regensburg für die Kapelle der Schönen Maria bestellt hatte, als Lohn für seine Bildhauerarbeit - "von Meinet wegen an solcher arbeit VI fl. Rh". Die Schlussrechnung für die abgelieferte Skulptur mit Fassung belief sich auf 26 Gulden.

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