Dr. phil. Wolfgang Baumann
ANTIQUITÄTEN UND KUNSTHANDLUNG
gegr. 1909


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Kurfürstlich-bairischer Barockschrank
München um 1725

Zweitürig mit geschrägten Ecken und reich geschnitztem Aufsatz und fein ausgearbeitete korinthische Kapitelle, im Sockelbereich zwei Schubläden mit Gehrungszinken, Nussbaum und Nussbaummaser auf Nadelholz furniert und intarsiert in Wassereiche, Ahorn und Kirschbaum Sockelteil mit Schrankteil zu zwei Hälften, separates Kranzgesims, Originalschloss graviert mit Laub- und Bandlwerk in Messing, virtuos entworfener und geschnitzter Aufsatz; Rückwand auf Füllung gear-beitet Restauriert in den 1970er Jahren von Bernhard Krinninger in Abensberg, Badstraße 12, aus dieser Zeit die Einlegeböden Höhe 257 cm, Breite 235 cm, Tiefe 80 cm

Der Barockschrank stammt aus dem ehemaligen Hotel Kaiserhof in München. Er ist nicht durch jüdische Provenienz belastet. Provenienz „Kaiserhof, München“ (Stempel an der Rückseite des Aufsatzes), Das Hotel Kaiserhof wurde im 2. Weltkrieg zerstört. Der Schrank war ausgelagert. Der Kaiserhof, Schützenstraße 12, hieß vor seinem Umbau 1890 „Augsburger Hof“. (Christine RIEDL-VALDER, Caféhäuser in München, Geschichte(n) aus drei Jahrhunderten (=Kleine Münchner Ge-schichten, hg. von Thomas Götz), Regensburg 2018, S. 83) In dieser Historismusepoche wurden Ba-rockschränke wieder attraktiv.

Wichtig für das Aussehen Münchner Barockschränke ist immer noch folgender Aufsatz: Albrecht MILLER, Münchner Schränke des 17. Und 18. Jahrhunderts, in Weltkunst, München 1. Dezember 1982, S. 3486-3493.

Würdigung Kunsthistorisch ist der Schranktyp mit der gesicherten Münchner Provenienz bedeutend, da damit Millers Hypothese – nicht Augsburg, sondern München – bestätigt wird. Das höfische Möbel der Effnerzeit vertritt die von Paris (Germain Boffrand) geprägte Stilstufe der reich entworfenen, geschnitzten Boise-rien im Paradeschlafzimmer des Kurfürsten in Schloss Schleißheim. Seit 1724 war Francois Cuvilliés der Ältere im Münchner Baubüro als Entwerfer der Münchner Hofkunst tätig (Gerhard HOJER, Schleissheim, Neues Schloss und Garten, Amtlicher Führer, 6., veränderte Aufl., München 1980, S. 23f., Abb. 14/15).

Die von Miller abgebildeten, spätbarocken Münchner Schränke sind in Privatbesitz bzw. waren auf Auktionen. Kein Exemplar befindet sich meines Wissens in öffentlichem Besitz. Die Konsoltische, ehemals im Viktoriensaal des neuen Schlosses Schleißheim – heute in Schloss Nymphenburg – besitzen auch die Rautenornamente mit Kügelchen in den Zwickeln und eine vergleichbare Muschel, ebenso profiliertes Bandlwerk (siehe Brigitte LANGER, Die Möbel der Schlösser Nymphen-burg und Schleißheim, München, London, New York 2000, S. 81-84. Eine frühere Datierung des Schrankes um 1725 ist wahrscheinlich. Millers Aufsatz ist sehr kenntnisreich verfasst.

Das Chorgestühl in Rohr und das Rautenmotiv Es lässt sich ein Zusammenhang herstellen mit dem Chorgestühl der Klosterkirche Rohr. Der geschnitzte, bekrönende Aufsatz des gerundeten Gestühls zeigt in der zentralen Kartusche ebenfalls die durchbrochenen Rauten mit vier Kügelchen in den Zwickeln. Der Rohrer Hochaltar – 1723 von dem „Stuckator“ Egid Quirin Asam fertiggestellt – ist eine Stiftung Max Emanuels, dessen großes Wappen auf blauem Grund mit reichen Ornamenten wie gestickt erscheint. Münchner Hofwerkstätten sind in Rohr naheliegend am Werk gewesen.


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