Dr. phil. Wolfgang Baumann
ANTIQUITÄTEN UND KUNSTHANDLUNG
gegr. 1909


Stutzuhr
mit einem Uhrwek von Peter Hochögger,
Brixen um 1750,
geschnitztes Gehäuse mit feinen Alabasterreliefs Adam und Eva beim Südenfall im Paradies,
wohl von Johann Georg Dirr,
Mimmenhausen um 1770

Werk signiert: Peter Hochögger

Feuervergoldetes Zifferblatt, ursprünglich Automatenuhr mit beweglicher Schlange am Baum der Erkenntnis, Stunden- und Viertelstundenschlag auf je eine Glocke, bei dem Viertelstundenschlag wird jeweils die ganze Stunde wiederholt, Wecker; Gehäuse, Lindenholz geschnitzt und elfenbeinfarben gefasst, Platten aus schwäbischen Alabaster auf Gipsbett in Holzschalen (Höhe 27,5 cm)
Höhe 57,3 cm; Breite 68 cm; Tiefe 19 cm. – Preis auf Anfrage

Seitlich sind im Uhrgehäuse zwei feine Reliefs mit Darstellung von Adam und Eva in Alabaster – „ Inkrustierungen“ – eingesetzt. Die beiden Reliefs mit den fein reliefierten Wolkenbahnen und der liebevollen Wiedergabe der Vegetation erinnern an Alabasterreliefs von dem Feichtmayrschüler Johann Georg Dirr (Dürr) (Weilheim 1723-1779 Mimmenhausen) in der Klosterkirche Salem.

Den feinen Reliefstil Dirrs zeigt ein Lindenholzrelief an der Chorrückwand im Salemer Münster von 1778/79 (Dillmann Abb. S. 35). Das Thema Adam und Eva gestaltete Dirr 1764 als Figurenschmuck einer Eckuhr im Abtsalon der Prälatur in Salem. Dort begleiten ein Pfau und ein Hase als allegorische Tiere die Szene (Dillmann Abb. S. 45).
Ein Vasenrelief in Alabaster von 1769-75 an den Chorschranken des Hochaltares im Salemer Münster zeigt Adam und Eva beim Sündenfall (Dillmann Abb. S. 37): Adam beugt sich zu Eva herab und stützt seinen linken Ellbogen auf einem Geländevorsprung ab, aus dem ein Ast herauswächst, dessen Blätter die Blöße Adams bedecken. Das gleiche Motiv ist beim Adamrelief der Uhr verwendet (siehe Abbildung rechts, Johann Georg Dirr Zuschreibung, Adam im Paradies). Hier sitzt Adam auf einem Geländestück aus dem Blattwerk wächst und ihn bedeckt
Die markanten Gesichtszüge des in den Apfel beißenden Adams gleichen dem Kopf des Hl. Sebastian im Bayerischen Nationalmuseum. Dieser Bozzetto (PONERT, Abb. 4) wird J.A. Feuchtmayer zugeschrieben, wobei zu bemerken ist, dass Feuchtmayer und Dirr seit 1756 als "gemeinschaftliche Prinzipalen" zusammenarbeiteten.

Die Vertrautheit Dirrs mit der neuen Stilrichtung des Zopfstils zeigen nicht nur die Altäre und das Orgelgehäuse in der Klosterkirche Salem, sondern auch ein bedeutendes Uhrgehäuse im Bayerischen Nationalmuseum (PONERT, Abb. 7) und die signierte Entwurfzeichnung zu einem Kerzenleuchter in der Wessenberggalerie, Konstanz (PONERT, Abb. 23).

Das im modernen Zopfstil ornamentierte Uhrgehäuse ist eine Bildhauerarbeit, die auf Grund der Feinheit der Ausführung auch Dirr geschaffen haben muß. Durch diese Maßnahme wurde aus einer alten Barockuhr, die sicher ein schwarz poliertes Gehäuse hatte, eine modern wirkende Uhr. Dirr hat in einem eigenwilligen Mischstil eine Rokokogrundform mit antikisierenden Ornamenten belegt.

Alabaster

„Dieser nicht transparente Stein, der weiß und rosafarben mit dunklen Adern, rötlich und grau marmoriert vorkommt, wird in Schleitheim, Füetzen, Haigerloch und Rottweil gebrochen.“(Dillmann S. 24)

„Eminenz wünschte auch, solche Werke aus dem Stein schaffen zu können und führte einen Hieb mit dem Werkzeug“ (Tagebuch Abt Anselm II. von Salem, Herbst 1773, Amtszeit als Abt 1746-1778).

Zum Material Alabaster siehe Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte Bd. 1 s.v. Alabasterplastik, Sp.319.

Lit.: zu Peter Hochögger, der als Uhrmachermeister für Brixen belegt ist siehe Jürgen ABELER, Meister der Uhrmacherkunst. Wuppertal 1977, S. 283. – zu Dirr: Dillmann, E.; Zoege von Manteuffel, C.; Schulz, H.-J., Johann Georg Dirr. Friedrichshafen 1980; Dietmar Jürgen PONERT, Zur Entwurfstätigkeit der Bildhauer-Werkstatt des Joseph Anton Feuchtmayer, in: Entwurf und Ausführung in der europäischen Barockplastik, München 1986, S. 193-214. - Ulrich KNAPP, Kontinuität und Wandel in einer Künstlerfamilie. Die Dir in Mimmenhausen und Überlingen, in: Johann Sebastian Dirr, Ansichten vom Bodensee (= Kunst am See 18, hg. von Siegfried Tann und Bernd Wiedmann), Friedrichshafen 1987, S. 71-84. - Ulrich KNAPP, Die Künstlerfamilie Dirr, Biographien und Hauptwerke, in: Ebd., S. 85-86.

Das links abgebildete Stiftermonument der Reichsabtei Salem, eine Entwurfszeichnung von Dirr, gehört der reinen Zopf-Stilstufe im Schaffen Dirrs an und dürfte kurz nach unserer Uhr entstanden sein.

Der rechts abgebildete Entwurf zu einem Orgelprospekt für Salem zeigt, dass das Rokoko noch dominant ist und moderne Zopfornamente lediglich appliziert worden sind. Die Orgelgehäuse in Salem entstanden zwischen 1766 und 1774. Dies ist die Entstehungszeit der Stutzuhr "Adam und Eva".


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