Dr. phil. Wolfgang Baumann
ANTIQUITÄTEN UND KUNSTHANDLUNG
gegr. 1909


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Höfische Rokokokommode
mit originaler Tegernseer Marmorplatte und rautenförmiger Parkettierung in der Art des Hofgalanteriekistlers Sebastian Guglhör,
München um 1750

Nußbaum, Nußbaummaser auf Nadelholz und Eiche (Eckstollen und Vorderstücke der Schubläden) furniert, Platte Tegernseer Marmor; Höhe 86,5; Breite 110,5; Tiefe 61,5 cm. Preis auf Anfrage


Die zweischübige, an der Front armbrustförmig und an den Seiten nach hinten ausbauchend geschweifte Kommode steht auf hohen Beinen. Die beiden Schübe bilden durch die verdeckte Traverse ein geschlossenes Furnierbild: Ein gefedert furnierter Fries rahmt die parkettierte Fläche bestehend aus diagonal zusammengesetzten Quadraten, die von Stäben begleitet werden. An den beiden Kommodenseiten werden Rauten von den Stäben ausgebildet.
Die wertvolle hellrote und weiß geaderte Marmorplatte stammt aus dem Tegernseer Marmorbruch, der im Dritten Reich ausgebeutet worden ist. Diese Marmorplatte ist original. In der Münchner Residenz, wo originale Marmorplatten seit dem 2. Weltkrieg kaum erhalten sind, besitzt eine deutsche nach französischem Vorbild gearbeitete Kommode von 1740/45 eine ebenso dicke und gleich profilierte bayerische Marmorplatte, die über den vorderen Stollen ebenfalls geohrt ist. Ein prominenter Ort mit Verwendung von weißem und rötlichem Tegernseer Marmor ist der „Große Saal“ im Obergeschoß von Schloß Schleißheim. Der Marmorfußboden ist im Schachbrettmuster 1723 verlegt worden.
Um 1680 hatte man in Entenbach bei Kreuth, südlich des Tegernsees den „Tegernseer Marmor“ entdeckt. Das Grundstück gehörte dem Benediktinerkloster Tegernsee. (Roland GÖTZ, Die Kirchen der Pfarrei Tegernsee, 10., aktualisierte und erweiterte Auflage, Regensburg 2014, S. 18.) Für die Barockisierung der Klosterkirche (1687-1692) war der Marmorfund gerade rechtzeitig erfolgt. Altarsäulen, Mensen, Fußbodenplatten und Kommunionschranken wurden aus Tegernseer Marmor gefertigt.
Das Möbel hatte um 1900 neue Beschläge erhalten, die nicht paßten. Diese wurden entfernt. Der heutige vergoldete Beschlag sitzt wieder in den ursprünglichen Löchern, die leicht zur Mitte der konvexen Schweifung ansteigen.
Die Schlösser französischen Typs sind original. Restauriert wurde an der rechten Seite ein konstruktionsbedingter Horizontalriß. Alte Ausbrüche an der Front links und rechts unten - vom Betrachter aus gesehen - sind in Intarsientechnik geschlossen worden. Die Marmorplatte besitzt einen alten Bruch der neu geklebt worden ist. Die Politur dieses Möbels ist in der Tradition der "französischen Politur" - Schellack - ausschließlich handwerklich aufgetragen.

Die zweischübige Kommode ist nach französischem Vorbild von einem wohl Münchner Schreiner, vielleicht Hofkistler, für einen anspruchsvollen Auftraggeber wohl aus dem Kreise des Hofes gefertigt worden. Wie für deutsche Schreiner charakteristisch verwendete er als Blindholz weitgehend Weichholz. Der für die originale Platte verwendete Marmor aus Tegernsee rechtfertigt die Lokalisierung nach München, wo nachweislich für die kurfürstliche Residenz französische Kommoden im 18. Jahrhundert zur Komplettierung von Räumen "kopiert" worden sind.
Als Verfertiger der Kommode kommt die Werkstatt des Münchner Hofgalanteriekistlers Sebastian Guglhör (erwähnt 1748-1773) in Frage, der ein vergleichbar rautenförmig parkettiertes Schreibmöbel zugeordnet wird (ELLER, Schreibmöbel, 2005 Abb. 55).

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